Junge Mütter: In der Image-Falle
Beim Einstieg ins Berufsleben wird ihnen wenig zugetraut. Junge Mütter finden nur schwer Ausbildungsplätze, auch Teilzeit-Modelle werden selten umgesetzt
Melissa N.* will ins Berufsleben einsteigen. Sie sucht einen Ausbildungsplatz. Seit über einem Jahr. 150 Bewerbungen hat sie verschickt. "Ich will was aus meinem Leben machen", sagt sie. Ihr Blick ist wach dabei. Melissa N. wirkt wie eine Bewerberin, die sich Arbeitgeber wünschen müssten. Aber ihre Ausbildungssuche war bislang vergeblich. Es hagelt Absagen. Melissa N. glaubt zu wissen, woran das liegt: Sie hat einen zweijährigen Sohn.
Meist werden die Absagen mit Standard-Begründungen erklärt. Dass man sie nicht einstellt, weil sie Mutter ist, habe sie nur ein Mal gehört, sagt N. Da hatte sie sich bei einem großen Unternehmen in der Automobilbranche für eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich beworben. Als die Absage kam, hat N. in der Personalabteilung angerufen. "Das mache ich immer", sagt sie, "ich will doch wissen, woran es liegt". Dort habe man ihr offen gesagt, dass ihr Kind der Grund sei. Als junge Mutter könne sie keine zuverlässige Arbeitskraft sein.
In den vergangenen Monaten hätten sich mehrere Frauen zur Beratung gemeldet, die ähnliche Erfahrungen wie Melissa N. gemacht haben, sagt Regine Geraedts, zuständig für die Bereiche Arbeit und Wirtschaft bei der Landesfrauenbeauftragten. Alle hatten sich bei namhaften Unternehmen beworben, die sich mit ihrem Engagement für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie profilieren. "Es gibt viele Vorbehalte gegenüber jungen Frauen mit Familienverantwortung", sagt Geraedts. Dass die so direkt wie bei N. und den anderen Frauen kommuniziert werden, sei aber die Ausnahme. "Meist lässt sich der Grund für eine Absage nicht dingfest machen", so Geraedts.
Eine qualifizierte Berufsbildung aber sei genau das, was junge Mütter brauchen. Sie leben häufig von ALG II - insbesondere jene Mütter, die allein erziehend sind. In Bremen ist gut die Hälfte der allein Erziehenden im Leistungsbezug. Ein Großteil hat keine Ausbildung. "Das ist ein gravierendes Problem, das sich fortzieht", sagt Geraedts. "Ohne Ausbildung haben die Frauen wenig Chancen, in den Arbeitsmarkt einzusteigen und jemals genug zu verdienen, um mit Kind aus dem Leistungsbezug herauszukommen".
Geraedts sieht zwei Gründe, warum Frauen wie Melissa N. nur schwer ins Arbeitsleben finden: "Es gibt zu wenig zeitlich flexible Kinderbetreuung", sagt sie. Und: Auch bei Unternehmen gebe es bislang wenig Offenheit gegenüber flexiblen Arbeitszeitmodellen. Denn auch Berufsausbildungen können in Teilzeit absolviert werden. Das Recht darauf ist seit 2005 im Berufsbildungsgesetz verankert. "Das kommt jungen Müttern natürlich sehr entgegen", so Geraedts.
Wahrnehmen können dieses Recht jedoch nur wenige Frauen. Im öffentlichen Dienst gibt es in Bremen-Stadt für den aktuellen Ausbildungsjahrgang 44 Teilzeit-Plätze. Im privaten Bereich allerdings sind die Zahlen verschwindend gering: Eine Auszubildende in Teilzeit ist derzeit bei der Handwerkskammer registriert. Bei der Handelskammer gebe es "keine relevanten Größenordnungen", sagt der stellvertretende Leiter des Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung, Frank-Dieter Lutz. Teilzeit-Ausbildungen seien bei Betrieben wenig beliebt. Denn: Interesse hätte vornehmlich eine "problematische Zielgruppe", junge, meist allein erziehende Mütter. Viele würden ihre Ausbildungen abbrechen, "weil sie das alles nicht organisiert bekommen", so Lutz.
Wie groß die Skepsis gegenüber jungen Müttern und Teilzeit-Modellen ist, zeigt sich auch in Bremerhaven. Dort gibt es beim Arbeitsförderungs-Zentrums (afz) seit zwei Jahren ein Projekt zur Förderung von betrieblichen Umschulungen in Teilzeit. Teilnehmen können Mütter unter 25 mit Erstausbildung oder Abbrecherinnen. Bislang sind zwölf dabei. Bezuschusst wird die Umschulung von der Arbeitsagentur. Die Nachfrage bei den Müttern sei groß - Probleme gebe es allerdings auf Seiten der Betriebe, sagt Hella Grapenthin vom afz. Besonders schwer täten sich die größeren Unternehmen mit mehreren Standorten. "Die sagen oft aus Sorge, sie müssten solche Modelle dann an allen Standorten einführen, ab", so Grapenthin, "auch wenn es vor Ort die Bereitschaft gibt".
Bei Daimler etwa haben in diesem Jahr 131 neue Azubis in Bremen begonnen. An Frauen, so Daimler-Sprecherin Nicole Kicherer, sei man immer interessiert. Bundesweit habe man rund 8.000 Auszubildende, ein Fünftel davon weiblich. Teilzeit-Azubis gebe es hingegen keine. "Bisher hatten wir noch keine entsprechende Anfrage". Ähnlich ist die Situation bei Kraft Foods: Die Sprecherin weiß nicht von einer einzigen Lehre, die in Teilzeit absolviert würde.
"Junge Mütter auf Ausbildungssuche laufen bei Unternehmen häufig als Sonderthema", sagt Sabine Szarbo. Die Mitinhaberin einer Werbeagentur ist in Bremen Botschafterin des Projekts "Erfolgsfaktor Familie" vom Bundesfamilienministerium, das die Familienfreundlichkeit in Unternehmen fördern soll. "Ich selbst würde mich bei einer Bewerberin, die Mutter ist und eine Ausbildung in Teilzeit sucht, auch schwer tun", sagt sie. "Es sei denn, sie ist besser qualifiziert als ihre Mitbewerber". Sie rät jungen Müttern, Selbstbewusstsein zu zeigen. "Die Qualität der Bewerber für Ausbildungen wird häufig beklagt", sagt Szarbo, "die jungen Mütter sind Menschen, die früh gelernt haben, zu managen". Das aber werde meist nicht wahrgenommen. "Diese Situation sollte den Kampfgeist der Frauen wecken, sich aus dem Stapel standardisierter und farbloser Bewerbungen hervorzutun".
Melissa N. bemüht sich, alle gängigen Bewerbungstipps zu befolgen - auch wenn ihr das nach 150 erfolglosen Bewerbungen schwerfällt, wie sie sagt. Sie bietet immer an, zunächst ein unbezahltes Praktikum zu absolvieren. "Damit man mich kennen lernen kann und sieht, dass ich Job und Kind unter einen Hut bekomme", sagt sie. Doch so weit kommt es gar nicht erst. "Ich fühle mich da schon diskriminiert."
Für das nächste Jahr plant sie, es nicht mehr bei Privatunternehmen zu versuchen. Dann will sie sich für eine Teilzeit-Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten im öffentlichen Dienst bewerben.
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