Schnellabitur zurückgenommen: Mehr Zeit zum Lernen

Schwarz-Gelb in Schleswig-Holstein lässt Gymnasien ab 2011 die Wahl zwischen acht und neun Jahren Schulzeit. Schülervertretung will neun Jahre für alle.

Zu Tode erschöpft vom Abitur in zwölf Jahren: das arme Kind! Bild: dpa

Als einziges Bundesland plant Schleswig-Holstein eine Rücknahme der Schulzeitverkürzung. Bisher lernen nur die 5. und 6. Klassen im verkürzten achtjährigen Gymnasium (G 8). Und auch der neue Fünftklässlerjahrgang 2010 wird noch komplett zum G 8 gehören. Ab dem Schuljahr 2011/2012 aber sollen die Schulen laut dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag die Wahl haben, zum alten neunjährigen Gymnasium (G 9) zurück zu kehren oder sogar beides anzubieten.

"Es geht nicht schneller. Das neue Gesetz kann frühestens im Herbst 2010 beschlossen werden", erklärt FDP-Bildungsminister Ekkehard Klug. Man wolle die Umsetzung in Ruhe mit allen Betroffenen diskutieren, "da geht Solidität vor Schnelligkeit".

Landesschülersprecher Lennart Beeck votiert für mehr Lernzeit. "Bei neun Jahren können die Schüler sich besser entfalten." Auch sei versäumt worden, die Lehrpläne zu ändern. "Da führt ein Jahr weniger Schulzeit zu extremem Stress." Die Schüler wollten ganz zurück zum G 9.

Das Echo unter Schulleitern ist geteilt. Eine Rückkehr sollte gut überlegt sein, meint die Schulleiterin der Flensburger Goethe-Schule, Gisela Walter: "Wir haben jede Menge G 8-Bücher angeschafft. Das ganze ist auch eine Kostenfrage."

Auch Reinhard Rahner, Rektor der Klaus Groth-Schule in Neumünster, findet eine neue Debatte ums G 8 "nicht förderlich". Seine Schule hat als Modellversuch schon 2001 das schnellere Abitur eingeführt und gute Erfahrungen gemacht. "Wir sind mit dem ersten Jahrgang durch", erklärt er. G 8 sei machbar und "nicht schwieriger als G 9", wenn eine Schule ihre "Hausaufgaben" mache. "Wir haben ein ausgewiesen gutes Förderkonzept und uns sehr viel Material und Ideen verschafft", sagt er. Wichtig sei, die Lehrpläne zu überarbeiten und "die Schülerleistungsbewertung zu überdenken".

Rahner nennt Indikatoren für den Erfolg: Die Sitzenbleiberquote liege bei einem Prozent, die Zahl an andere Schulen "Querversetzer" sei "ähnlich gering". Allerdings räumt er ein, dass die Klaus Groth-Schule einen "sehr hohen Anteil gymnasialempfohlener Kinder" habe.

"Neun Schuljahre sind für die persönliche und fachliche Bildung sicher nicht schädlich", sagt dagegen der Rektor des städtischen Gymnasiums Bad Segeberg, Frank-Ulrich Bähr. An seiner Schule hat etwa jeder Dritte eine Realschulempfehlung, die 6. Klassen fangen gerade mit der zweiten Fremdsprache an. "Es gibt Rückmeldungen von Lehrkräften, dass da einige Schüler deutlich an ihre Grenzen stoßen." Durch G 8 seien die Kinder höher belastet. "Ich kann verstehen, wenn Eltern sich das G 9 wünschen." Es gebe aber die Gefahr einer Spaltung: "Die Gymnasialempfohlenen gehen ans G 8 und die Realschulempfohlenen an G 9."

"Wenn beide Systeme nebeneinander existieren, kann es eine unselige Konkurrenz um Schüler geben", sagt auch GEW-Sprecher Bernd Schauer. Die GEW könne mit einer Rückkehr zum G 9 "gut leben", hält sie aber für "praktisch schwer umsetzbar". Statt dessen solle man die Schulen besser ausstatten und die Lehrpläne durchforsten.

Bähr dagegen plädiert für eine "echte Evaluation" des G 8. Wenn die Erfahrungen negativ seien, müsse man "den Mut haben, zurück zu rudern".

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