Aldi-Doku: Wir müssen draußen drehen

"Aldi - Mutter aller Discounter" (0 Uhr, NDR) berichtet engagiert über die miesen Tricks und Machenschaften des Konzerns. Die Filialen waren für die Filmemacher tabu.

Bespitzelungen von MitarbeiterInnen, Manipulationen bei Testeinkäufen, um aufmüpfige KassiererInnen loszuwerden - all die Geschichten sind nicht neu. Bild: © NDR/Rasmus Gerlach

"Dekorationen im Laden werden nicht ausgeführt" Theo Albrecht, 1959

50 wird Aldi dieses Jahr, doch einen runden Geburtstag so zu begehen, wie es für jedes Schuhgeschäft Ehrensache wäre, kommt für Aldi natürlich nicht in die Tüte. Denn genau wie der weiß-blaue Plastiksack an der Kasse würde das ja etwas kosten. "Aldi tut das, was vernünftig ist. Das muss man nicht feiern", sagt im Film Dieter Brandes. Brandes, bis 1985 Geschäftsführer und Mitglied des Aldi-Verwaltungsrates in Essen, ist auch knapp 25 Jahre nach seinem Abschied bei Aldi der Ranghöchste, der überhaupt über den Laden und seine Prinzipien redet. Positives, versteht sich. Doch auch ein Brandes kann nicht verhindern, dass die Doku von Rasmus Gerlach immer nur vor den Aldi-Läden spielt: Eine Drehgenehmigung für das Team, das über Monate Gewerkschafter und Aldi-Exmitarbeiter bei ihren Recherchen zu einem "Schwarzbuch Aldi" begleitet, gab es von der Konzernzentrale natürlich nicht.

Engagiert berichtet Gerlach über die miesen Tricks und Machenschaften bei Aldi, die "grauen" Arbeitsstunden der KassiererInnen, die auch gleich noch ihren Laden putzen dürfen, Toiletten und Schaufenster inklusive. In einer Filiale, erzählt der Film, haben die MitarbeiterInnen zusammengelegt, um auf eigene Kosten einen Fensterputzer zu engagieren. Weil die Zeit für die Scheibenpflege eh nicht gereicht hätte. Millionen, schätzen die Gewerkschaften, spart Aldi jährlich durch angeblich freiwillige Mehrarbeit und eingesparte Sozialabgaben. Wo Betriebsräte, die es ohnehin fast nur bei Aldi Nord gibt, genaue Arbeitszeiterfassung forderten, sorgen die bei Aldi gern gesehenen Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsräte (AUB) dafür, dass sie wieder verschwindet. Seit dem Siemens-Prozess gegen den ehemaligen AUB-Chef Helmut Schelsky ahnt man, warum: Mindestens 35.000 Euro zahlte Aldi Nord an eine Beraterfirma Schelskys. Die AUB beteuert, damit nichts zu tun zu haben.

Bespitzelungen von MitarbeiterInnen, Manipulationen bei Testeinkäufen, um aufmüpfige KassiererInnen loszuwerden, bis hin zur Posse, dass Aldi auch schon mal einen Laden schließt und abreißt, um sich bestimmter Angestellter zu entledigen - all die Geschichten sind nicht neu. Doch in Gerlachs Film berichten erstmals Betroffene, auch solche, die noch heute bei Aldi arbeiten. Die Doku, die der NDR sträflicherweise mitten in der Nacht versendet, konzentriert sich vor allem auf den Aspekt der Arbeitsbedingungen und Aushebelung gültiger Arbeitnehmerrechte.

Das ist schon viel - und doch müsste noch viel mehr berichtet werden: über die Macht, die Aldi und die anderen Discounter wie Lidl und Co auf die Produzenten haben. Und über die Rücksicht, die in vielen Medien genommen wird: Aldi und Lidl schalten in fast jeder der von der Anzeigenkrise geplagten deutschen Zeitungen mindestens einmal pro Woche ganzseitige Anzeigen. Und sind alles andere als zimperlich, kritische Berichterstattung mit Werbeentzug abzustrafen.

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