Kolumne Frauen: Das fehlende X-Chromosom

Es gibt Dinge, die können nur Frauen besonders gut. Zum Beispiel ihren Ehemann dazu bringen, selbstironisch zu sein.

Mal angenommen, ich käme in dieser Kolumne auf die beknackte Idee, zu behaupten "Es gibt Dinge, die können Frauen einfach nicht" - was wäre dann wohl los?! Unter Polizeischutz müsste ich aus dem Rudi-Dutschke-Haus geleitet werden, ein allerletztes Mal. Zeit, meine privaten Habseligkeiten einzupacken (Pamela-Anderson-Poster et cetera), bliebe mir nicht. Der tobende taz-Mob würde meinen Kram auf einen Haufen schmeißen und in festlicher Atmosphäre abfackeln.

Das kommt davon, wenn man sich mit der Frauenbewegung anlegt.

Wenn allerdings eine Frau sagt "Es gibt Dinge, die können Männer einfach nicht", dann freuen sich die Angesprochenen möglicherweise noch darüber, dass ihre Frau selbst die Spülmaschine einräumt, Knöpfe annäht und das Essen auf den Tisch stellt. So etwa muss man sich das Privatleben von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann vorstellen, denn der Satz oben stammt von seiner Gattin Katja Keßler, an der das Emanzipierteste das Festhalten an ihrem Mädchennamen zu sein scheint (und die Ironie natürlich, mit der sie in Bild Tittenfotos beschrieben hat). Für sie immerhin spricht, dass ihr das wenigstens auffällt: "Ich bin immer mit meiner Mutter hart ins Gericht gegangen. Von wegen unemanzipiert, hat keine Hobbys außer ihren Kindern! Und jetzt nähere ich mich ihrem Rollenmodell an (…) Ist schon ein bisschen pervers."

Wie Sie vielleicht schon gemerkt haben, soll es heute um Rollenbilder gehen, denn nach dem sehr aufschlussreichen taz-Interview mit Katja Keßler habe ich in der FAS eins mit Gerald Hüther gelesen, der Frau Keßler widerspricht und das, weil er Hirnforscher ist, sogar noch wissenschaftlich fundiert. "Typische Verhaltensunterschiede zwischen Männern und Frauen sind nicht genetisch determiniert. Diese gängige Vorstellung müssen wir aufgeben", sagt der Herr Professor. "Unser Hirn wird so, wie wir es benutzen." Heißt also: Wenn die Katja den Kai auch mal selbst die Spülmaschine einräumen ließe, könnte er es irgendwann. Das ist zwar nicht neu, hat sich aber offenbar noch immer nicht bis in exklusivere Potsdamer Wohnlagen rumgesprochen.

Ob Katja Keßler überhaupt schon mal was von Gender-Theorie gehört hat?

Warum ihr Ehemann Bild-Chefredakteur geworden ist, warum Hitler einen Krieg angefangen hat und warum Dieter Bohlen vor laufenden Kameras Halbwüchsige runtermacht, erklärt Hüther übrigens auch, und zwar damit, dass Männern ein "Ersatzrad" fehlt, ein zweites X-Chromosom: "Wegen ihrer schwächeren Konstitution begeistern sich schon Jungs für alles, was ihnen Erfolg, Status und Geltung verschaffen könnte." Wie einfach die Welt sein kann! Hirnforscher müsste man sein! Da gibts kein journalistisches Einerseits-Andererseits, sondern nur die Gene - na ja, fast: Das, was wir daraus machen, erfüllt auch Hüther mit Sorge: "Man kann sich das Hirn im Laufe der eigenen Entwicklung ruinieren und das seiner Kinder obendrein. Dann reifen Kümmerversionen dessen heran, was hätte werden können." Dagegen helfe nur, sich als Mann mit sich selbst zu beschäftigen und sein eigenes Leben zu reflektieren.

Nichts anderes tut Katjas Kai seit etwas über einer Woche in seinem Blog. Die Frage, warum Diekmann darin plötzlich und unerwartet Humor zeigt, beantwortet Keßler im taz-Interview ganz nebenbei auch. Sie finde Selbstironie "bei Männer unglaublich sexy". Er tut es also, um seiner Frau zu gefallen. Es gibt eben Dinge, die können Frauen besonders gut.

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