Parteitag in NRW: Linke gibt sich radikal

Mit der Forderung nach einem grundsätzlichen Politikwechsel zieht die Linkspartei in den NRW-Landtagswahlkampf. Die Flügel einigen sich auf Formelkompromisse.

Die Linkspartei zieht mit radikalen Forderungen in den NRW-Landtagswahlkampf : dpa

Die Linkspartei in NRW zieht mit einem im Ton entschärften, aber im Kern unverändert maximalistischen Programm in den Wahlkampf. Auf ihrem Landesparteitag in Hamm am vergangenen Wochenende beschloss sie: Die Arbeitszeit soll bei vollem Lohnausgleich auf 30 Stunden sinken, und die Energiekonzerne RWE und EON sollen vergesellschaftet werden. Vor allem Letzteres sorgte für eine heftige Debatte.

Gegen die Verstaatlichungseuphorie wandte sich Ulla Lötzer, die der teils pragmatischen Sozialistischen Linken (SL) angehört. Verstaatlichung an sich, so ihr Argument, nutze wenig. Das zeige das Beispiel des Staatskonzerns Vattenfall. Wichtiger und realistischer sei es, "die Energievesorgung zu dezentralisieren und in die Hand der Kommunen zu geben".

Doch dieser Versuch, platte Verstaatlichungsparolen durch intelligente Ideen über Wirtschaftsdemokratie, Belegschaftseigentum und Genossenschaften zu ersetzen, blieb auf halber Strecke liegen. Dagegen stritten Sahra Wagenknecht und die Antikapitalistische Linke (AKL), die unbedingt die Reizworte RWE, EON und Vergesellschaftung im Wahlprogramm fixieren wollten. Man einigte sich auf einen Formelkompromiss, der aber, so ein AKL-Stratege, "ein klarer Sieg für uns" sei.

Moderater und genauer klingen nun die Passagen über Religionsunterricht und Justiz. Von der generellen "Abschaffung" des schulischen Religionsunterrichts und der Idee, dass Gerichte und Gefängnisse in einer künftigen Gesellschaft "entbehrlich sein sollen", ist im Wahlprogramm nicht mehr die Rede. Statt dessen will die Linkspartei einen verbindlichen Ehtik- und freiwillligen Religionsunterricht, und das Kapitel zur Justiz verzichet auf bloße Reizworte. Der Landesvorstand hatte bereits vor dem Parteitag einige spektakuläre, aber meist ungenaue Formulierungen korrigiert.

Allerdings setzt die NRW-Linkspartei unverdrossen auf ein wolkiges Investitionsprogramm. Dies soll der Bund mit 21 Milliarden Euro finanzieren, die wiederum aus der Millionärssteuer, die die Linkspartei fordert, stammen sollen. Die Debatte über das Investitionsprogramm, ein Lieblingsprojekt der Antikapitalistischen Linken, wurde vertagt, soll aber Anfang 2010 auf einem eintägigen Parteitag präsentiert werden. "Wir sind", so ein pragmatisches Mitglied des Linksparteivorstands, "nicht zu radikal. Unser Fehler ist, dass wir Dinge versprechen, die wir in NRW gar nicht durchsetzen können."

Dabei hat die Linkspartei durchaus eine Reihe umsetzbarer Ideen. Sie will ein landesweites Sozialticket im öffentlichen Nahverkehr, einen Entschuldungsfonds für Kommunen, ein egalitäres Schulsystem, und dass öffentliche Aufträge nur an Firmen vergeben werden, die anständige Löhne zahlen. Doch der Versuch der Sozialistischen Linken, diese Ideen im Programm deutlicher zu pronocieren, war wenig Erfolg beschieden.

Auf dem Parteitag, der unter recht professioneller Regie gut 500 Änderungsanträge verhandelte, zeigte sich eine Partei, die sich langsam verändert. Ein Viertel der zweihundert Delegierten applaudierte nur, wenn die rot-rote Regierung in Brandenburg als Kapitulation vor der SPD attackiert oder die Böshaftigkeit des Kapitalismus beschworen wurde. Diesem Fundi-Block gilt schon die Aussicht aufs Regieren als Verrat. Daneben gibt es einen starken realistischen Flügel, der konkrete Veränderungen anpeilt. Verändern wird die Partei die Kommunalwahl: Gut 400 der knapp 9.000 NRW-Genossen sind seit ein paar Monaten in Gemeinderäten aktiv.

Ziemlich kühl fiel die Resonanz der Parteitags auf das Grußwort von Guntram Schneider, DGB-Chef in NRW und Sozialdemokrat, aus. "Wenn ihr glaubt, dass die SPD euer Hauptgegner ist, dann seid ihr schief gewickelt.", appellierte Schneider. Wenn bei den Wahlen im kommenden Mai Rot-Rot-Grün eine Mehrheit habe, müssen, so Schneider, alle "kompromissbreit sein". Da klatschte knapp die Hälfte der Delegierten - ein schlechtes Zeichen für Anhänger einer möglichen Tolerierung von Rot-Grün. Denn die wird es nur geben, wenn die Gewerkschaften sehr viel Druck auf die Linkspartei machen - und diese dem Druck nachgibt.

Zweifelhaft ist, so ein Parteistratege selbstkritisch, ob "der Maximalismus uns bei den Wahlen hilft." Die Linkspartei-Wähler sind launische Wesen. So votierten bei der Europawahl im Juni nur 250.000 in NRW für die Linkspartei, bei der Bundestagswahl waren es dreimal so viele.

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