Präsident des Sparkassenverbandes: "Große Banken können erpressen"

Der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes sagt: Zu große Banken sollen beaufsichtigt und Hedgefonds reguliert werden. Eine Transaktionssteuer könnte die Lasten der Krise gerechter verteilen.

Nur wenige Sparkassen haben mit Lehman-Zertifikaten gehandelt, sagt Haasis. Bild: Rupert Ganzer - Lizenz: CC-BY-ND

Herr Haasis, die Banken haben kürzlich ihre aktuellen Quartalszahlen vorgelegt. Fast alle haben wieder Milliardengewinne verzeichnet. Müssen wir überhaupt noch über die Finanz- und Wirtschaftskrise reden?

Haasis: Ja, denn sie ist noch nicht überwunden und die Lehren wurden noch nicht gezogen. Zwar geht es den Sparkassen weiterhin gut, weil sie Geschäfte gemacht haben, die sie verstehen, mit Kunden, die sie kennen. Dieses eng an der Realwirtschaft ausgerichtete Geschäftsmodell hat sich bewährt – vor der Krise und während der Krise. Doch weltweit muss sich etwas ändern im Finanzsystem. Und ich habe Zweifel, dass das geschieht.

Warum? Haben die Banker nichts gelernt?

Heinrich Haasis ist Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Er ist Mitglied der CDU.

Anfang Oktober war ich auf der Weltbank-Tagung in Istanbul, wo die Branchenvertreter aus der ganzen Welt zusammenkamen. Vor einem Jahr, in Washington, herrschte noch Totengräberstimmung. In diesem Jahr war das anders. Viele hatten offenbar das Gefühl, das alles vorbei ist und die Geschäfte weiterlaufen können, wie bisher. Höchstens ein Drittel zeigte sich nachdenklich und fragte nach den notwendigen Konsequenzen aus der Finanzkrise. Und dass wir wieder den Kunden in den Mittelpunkt stellen müssen, diese Einsicht war höchstens bei der Hälfte der Teilnehmer vorhanden. Fehler machen ist schon schlimm, nicht daraus zu lernen aber noch schlimmer..

Wo sitzen denn diejenigen, die nichts ändern wollen?

Vor allem in den weltweit tätigen Instituten, in den Investmentbanken. Vor einem Jahr dachten wir noch, die wird es bald nicht mehr geben. Und jetzt wird dort mit ähnlichen Produkten wieder viel Geld verdient. Das Geschäft mit den strukturierten Produkten, das ja einer der Gründe für die Krise war, läuft längst wieder an. Ebenso die Jagd nach kurzfristigen Renditen. Insofern befürchte ich schon, dass zumindest einige Marktteilnehmer wieder die Wege beschreiten, die uns an den Abgrund geführt haben.

Zählen Sie dazu auch konkrete Renditevorgaben, wie zum Beispiel die 25 Prozent, an denen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann weiterhin festhält?

Soviel Geld ist im Geschäft mit der breiten Kundschaft nicht zu verdienen. Wer so etwas proklamiert, hat andere Geschäftsmodelle im Blick. Das funktioniert bei Sparkassen nicht und das hat nach meiner Meinung auch mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.

Wieviel Profit wollen Sie denn machen?

Wir haben eine Untergrenze von zwei Prozentpunkten über dem langfristigen Kapitalmarktzins definiert. Das ist ein grundlegender Paradigmenwechsel: Damit markieren wir, was die Sparkassen mindestens benötigen, um nachhaltig das Geschäftsmodell zu erhalten. Natürlich arbeiten wir daran, diesen Wert immer etwas zu übertreffen. 2009 werden wir oberhalb dieser Untergrenze abschließen, weil die Sparkassen in der Krise ein Stabilitätsanker sind.

In den letzten 15 Jahren waren die Sparkassen mit einer Durchschnittsrendite von gut sechs Prozent die profitabelste Bankengruppe in Europa. Der Grund ist, dass es bei uns das ständige Ab und Ab – von Höchstrenditen zu Maximalabstürzen – nicht gibt. Banken müssen aber verstehen, dass langfristig das Vertrauen und die Zufriedenheit der Kunden die Voraussetzung für gute Geschäftsergebnisse sind.

Befragen Sie auch die Kunden, denen ihre Sparkassen Lehmann-Zertifikate verkauft haben und die damit ihr ganzes Geld verloren haben?

Nur sehr wenige der rund 430 Sparkassen haben Lehman-Zertifikate verkauft. Wir bedauern natürlich, wenn Kunden Geld verlieren. Man aber auch sehr genau hinschauen: Wenn einer sicherheitsorientierten 78jährigen Frau empfohlen wird, für ihr Erspartes Lehmann-Papiere zu kaufen, ist das falsch. Aber es gibt eben auch Kunden, die schon einen größeren Geldbetrag angelegt und dann noch über das Internet bei einer Sparkasse Lehmann-Zertifikate gekauft haben. Diese Kunden wissen, was sie tun. Die betroffenen Sparkassen haben sich deshalb jeden Einzelfall genau angesehen. Dort wo Fehler erkennbar waren, haben sie zu ihrer Verantwortung gestanden. Einzelne Fälle müssen sicher noch geklärt werden.

Sie fordern in ihren Reden immer wieder, dass eine Folge der Finanzkrise die Schrumpfung des Bankensektors sein muss. Die Institute sollen sich wieder regionaler organisieren und auf den Kunden ausrichten. Kann denn die globalisierte Finanzwelt tatsächlich so arbeiten wie die Sparkasse Castrop-Rauxel?

Globalisierung kann doch nicht bedeuten, dass Banken immer größer und immer risikoreicher für die Volkswirtschaften insgesamt werden.

Der Befund ist doch eindeutig: Die Finanzwirtschaft ist in den letzten Jahren wesentlich stärker gewachsen als die Realwirtschaft. Der Grund dafür waren virtuelle Geldgeschäfte ohne eine reale Kundenbasis. Das hat uns in die Krise geführt und das muss zurückgedreht werden. Alle Regierungen reden davon, dass einzelne Banken nicht so groß werden dürfen, dass ihr Konkurs ganze Staaten in den Ruin treibt. Das hat auch die Bundeskanzlerin vor und nach dem G20-Gipfel gefordert. Die Wirklichkeit sieht aber anders auch. In den USA zum Beispiel hat die Krise für noch viel größere Banken gesorgt. Und in Deutschland wird mit Staatshilfe eine börsennotierte Bank noch größer und damit systemrelevanter gemacht.

Und nun? Sollen die neuen Bankenriesen wieder zerschlagen werden?

Zu große Banken können Regierungen erpressen. Das Mindeste sind deshalb Regularien, mit denen große Banken besonders beaufsichtigt, mit höheren Eigenkapitalanforderungen belegt und notfalls auch abgewickelt werden können. Das sehe ich bisher aber nicht, trotz mancher gegenteiliger Aussagen. Der Trend geht doch schon wieder in Richtung Größe.

Bei den Landesbanken, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, gibt es aber auch Fusionen. Von neun Instituten sollen nur noch drei übrig bleiben.

Fusionen bei Landesbanken sollen ein Mittel sein, um Risiken und damit Größe zurückzufahren. Die Landesbanken sollen wieder stärker Dienstleister für die Sparkassen und für deren Kunden sein. Die Sparkassen wollen, dass sich die Landesbanken künftig weitgehend auf Geschäfte mit realwirtschaftlicher Grundlage konzentrieren und die reinen Finanzgeschäfte abbauen .

Wann werden wir nur noch drei Landesbanken haben?

Das ist schwer zu sagen. Im Moment steht im Vordergrund, die von der Krise betroffenen Landesbanken wieder auf solide Beine zu stellen. Diese Unsicherheit bremst Fusionsüberlegungen. Auch mit Brüssel gibt es noch einiges zu klaren, denn es sind ja auch Beihilfen geflossen. Bevor die Vorgaben der EU-Kommission nicht umgesetzt sind, wird sich nicht viel verändern. Und dann müssen wir ja auch noch mit den Ländern als Miteigentümern einig sein.

Aber ist das nicht ein generelles Problem der Krisenbewältigung? Alle sagen, es müsste ganz viel passieren, aber nichts geschieht. Die Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer haben bislang vor allem viel bedrucktes Papier produziert. Verliert die Politik nicht zu viel Zeit?

Die Zeit wurde vor der Krise verloren. Deutschland hatte ja schon vor zwei Jahren auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm versucht, das Thema Hedgefonds und Regulierung der Finanzmärkte auf die Tagesordnung zu bringen. Aber die Vertreter der USA und Großbritanniens haben es abgelehnt, überhaupt darüber zu reden. Ich sehe es als großen Erfolg an, dass die G20 jetzt auf ihren Gipfeln eine gemeinsame Haltung zu diesen Themen suchen. Das ist ein absolutes Novum. Man muss aber realistisch bleiben: Schließlich geht es um Regeln, die 20 souveräne Staaten miteinander vereinbaren müssen.

Das gilt auch für eine Steuer für alle Transaktionen auf den Finanzmärkten, die früher von Attac und vor der Wahl sogar vom Bundesfinanzminister gefordert wurde. Die Banken sind bislang dagegen. Wie stehen sie dazu?

Natürlich wünschen wir uns das nicht. Ich sehe eine solche Steuer aber als eine Möglichkeit, alle Akteure an den Finanzmärkten an den volkswirtschaftlichen Lasten der Finanzkrise zu beteiligen. Früher war das Gegenargument, dass eine solche Steuer unrealistisch ist, weil alle Länder mitmachen müssen. Durch das Instrument der G20 ist das aber nun möglich.

Deutschland hat seit kurzem eine neue Bundesregierung, die über eine neue Rekordverschuldung Steuersenkungen finanzieren will. Ist das eine nachhaltige Finanzpolitik?

Zumindest werden die Staatsschulden uns noch nachhaltig beschäftigen. Das ist schon beängstigend. Aber man muss fair bleiben. Wir sind im Jahr der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Die Bundesregierung hat die Folgen abgemildert, indem sie Geld in die Hand genommen hat. Und solide finanzierte Steuererleichterungen können natürlich helfen, das Wachstum zu beschleunigen. Das kann aber nur gut gehen, wenn die Bundesregierung den Mut hat, bei einem beginnenden Aufschwung Geld zu sparen und dann bei den Ausgaben zu kürzen.

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