Erfinder-Camp: Arbeit kann Spaß machen
30 Menschen basteln sechs Wochen an der Arbeitswelt von morgen. Sie entwerfen technische Hilfsmittel und diskutieren über Abläufe. Am Dienstag werden die Resultate vorgestellt.
Ein großes rotes Backsteinhaus im Industriegebiet: Die Wände sind schlicht weiß, die Türen wurden durch blaue Plastikplanen ersetzt, und Lampen hängen mit Kabelbinder befestigt von der Decke. Hier leben seit sechs Wochen 30 junge Menschen miteinander, jeder in einem eigenen, gerade mal sechs Quadratmeter kleinen Zimmer, zusammengebaut aus Spanholzplatten. Was sich anhört wie eine neue Big-Brother-Variante, ist in Wahrheit ein einmaliges Projekt. Es bietet kreativen Köpfen aus aller Welt die Möglichkeit, sich auszutauschen und innovative Ideen für die Arbeitswelt der Zukunft zu entwickeln.
"Palomar5" nennt sich das Camp in der Malzfabrik in Schöneberg, benannt wurde es nach einem Sternenhaufen. Jonathan Imme, studierter Musikwirtschaftler, ist einer der Mitbegründer. "Ich hatte schon länger die Idee, eine Art Ideenhaus zu bauen", berichtet der 25-jährige Berliner. Auf einem Kongress habe er den Innovationschef der Deutschen Telekom getroffen, die den Versuch finanziell unterstützt.
Im Camp ist keiner älter als 30, die meisten verorten sich in der Internet- und Computerszene, einen geregelten Tagesablauf gibt es nicht. An diesem Nachmittag sitzt rund die Hälfte der Hausbewohner in kleinen Gruppen mit ihren Laptops im festlosen Arbeitszimmer, das sie hier White Cube nennen.
Jay Cousins werkelt an seinem Projekt herum, das er "Physical Interface" getauft hat. Er will ein kleines technisches Gerät entwickeln, das Computerdaten speichert, wenn man es an eine besondere Stelle des Bildschirms hält. "Danach hat man seine Daten zum Anfassen, kann sie in die Hosentasche stecken oder einem Kollegen geben", sagt der Engländer. Das erleichtere den Arbeitsfluss.
An der Wand hängt ein Plakat, auf das Cousins alle Ideen zu seinem Produkt geschrieben hat. Im Computer versucht er jetzt einen Prototypen zu modellieren. Manchmal schauen ihm andere Bewohner über die Schulter und geben Anregungen. Der Austausch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmerinnen - gut ein Drittel sind Frauen - aus 13 Ländern ist nicht immer ganz reibungslos. "Natürlich merkt man, dass hier unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen", sagt Imme. "Aber die Leute sind sich trotzdem gleicher als damals meine alte Klasse in der Schule." So gehe es auch keinem der Beteiligten ums Geld, betont Imme: "Diesen Menschen hier ist es egal, ob sie später mit ihren Ideen viel Geld machen können. Die Motivation ist, dass man gemeinsam etwas schafft, was uns in Zukunft das Leben in der Arbeitswelt erleichtert."
Das sechsköpfige Organisationsteam hat das Camp im Internet über Facebook und Twitter bekannt gemacht. Hunderte Bewerbungen aus der ganzen Welt gingen ein. Ziel war es, junge Menschen aus den unterschiedlichsten Themenfeldern zusammenzuführen. "Einige haben sogar fertige Spielfilme und selbst gebaute Modelle eingereicht", sagt Imme. "Mit 80 Finalisten führten wir dann noch einstündige Interviews über das Internet."
Das nicht eben einfache Ziel von Palomar5 ist es laut Imme, "sich von alten Denkmustern zu lösen und Innovationen zu schaffen, die den Möglichkeiten der digitalen Generation entsprechen". So entwickeln unter dem Namen "Show me love" zwei Teilnehmerinnen eine Stategie für Firmen, damit die Angestellten sich von ihrer Arbeit mehr inspirieren lassen und nicht den ganzen Tag nur vor dem PC sitzen - um gelockerte Arbeitszeiten geht es, Motivation von außen und mehr Selbstständigkeit im Job.
Ein anderes Projekt nennt sich "Data DJ". Es soll dabei helfen, auf dem Computer gespeicherte Dateien individuell zu kategorisieren und dem Benutzer zu helfen, sie so einfacher und schneller zu verwalten. "Viele Ideen entstehen aber nicht direkt im Arbeitsprozess im Camp", erzählt Imme. "Manchmal sitzen zwei oder drei Leute zusammen, schauen sich einen Film an oder diskutieren über ein Thema - und oft kommen dabei die kreativsten Sachen raus."
Viele Ideen werden im Palomar5-Camp geboren. Viele bleiben nicht mehr als ein Hirngespenst - zu sehen etwa auf dem "Ideenfriedhof" im Präsentationsraum: ein Kreuz, an das gescheiterte Vorschläge geheftet sind. Oft passiert es aber auch, dass sich Bewohner längerfristig zusammenschließen und das Projekt eine Zukunft hat. Bei sogenannten Reality Checks können die Projekte einer Expertenjury präsentiert werden. Diese verteilt Kritik, Lob und Verbesserungsvorschläge, damit sich die neue Idee bestmöglich umsetzen lässt.
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