TV-Portrait Boris Palmer: "Politik ist wie Bäume schneiden"

Seit drei Jahren ist der Grünen-Politiker Boris Palmer Oberbürgermeister von Tübingen. Der SWR ist ihm unerbittlich mit der Kamera gefolgt.

"Die Oberen stutzen, damit die Unteren mehr Licht bekommen."Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer in der SWR-Doku "Das Palmer-Prinzip". Bild: SWR

Vor drei Jahren wurde Boris Palmer, 37, zum Oberbürgermeister von Tübingen gewählt - nachdem er zuvor erfolglos in Stuttgart kandidiert hatte. Die Dokumentation von Frank Pfeiffer aus der Reihe "junger dokumentarfilm" erzählt, wie sich der Grüne an der Macht so macht.

taz: Herr Palmer, nach "Yes, we can" bei Obama hieß es beim Grünen-Parteitag "Yes, we Cem" - folgt nun die Steigerung mit "Yes, we cam". Gab es Vorgaben von Ihnen, was gedreht werden durfte und was tabu war?

Boris Palmer: Das Filmteam hat mich teilweise 12 bis 15 Stunden am Tag mit Kamera und Mikrofon begleitet. Wir hatten die Vereinbarung, dass bei heiklen Themen oder vertraulichen Gesprächen, die Kamera auf ein Zeichen von mir sofort abgeschaltet wird - das war fast nie nötig.

Hatten Sie keine Bedenken, dass so ein filmisches Denkmal für manche vielleicht zu eitel wirken könnte - zumal bei einem Grünen?

Nein. Eine Dokumentation ist ja kein Spielfilm mit Hauptdarstellern. Ich wusste ja so wenig wie das Team, was sich vor der Kamera ergeben wird. Ich habe nie Szenen moniert, weil sie mir nicht gefallen oder eine für mich problematische Situation darstellen. Das Filmteam hat vollkommen autonom entschieden.

Fehlen nicht die Gegner in Augenhöhe? Ihre Kritiker im Film wirken eher etwas klein …

Ich hatte nicht den Eindruck, dass die dargestellten Menschen schlecht aussehen. Die Leute wirken sehr authentisch, da ist nichts gestellt oder gespielt. Auch was das vermeintliche Fehlen harter Kritik betrifft, bleibt der Film wahrhaftig: Die ersten zwei Jahre hatte ich solche radikale Gegnerschaft im Amt nicht erlebt, sondern bestenfalls sachliche Auseinandersetzungen in normalen Zielkonflikten. Wir haben dreimal den Haushalt fast einstimmig verabschieden können, die Grundlinien meiner Politik für die Stadt sind also weitgehend unbestritten.

Man könnte solch einen Film als Empfehlungsschreiben für die weitere Karriere interpretieren - man sagt Ihnen nicht selten nach, der OB-Posten sei nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben …

Ich habe den Film ja nicht bestellt oder in Auftrag gegeben. Das Interesse für die Dokumentation kam vom SWR, und ich habe zugestimmt, weil ich diese Idee spannend fand. Sich einmal von außen zu sehen ist eine bemerkenswerte Erfahrung. Aber ich habe das nie als Bewerbungsschreiben für irgendeine andere Aufgabe verstanden. Da täuschen sich manche.

Welches ist Ihre Lieblingsszene im Film?

Die Bilder aus den 70er-Jahren mit meinem Vater in den Streuobstwiesen. Das sind Aufnahmen, die ich selbst bislang gar nicht kannte. Das war für mich der bewegendste Moment, weil blühende Streuobstwiesen für meinen Vater immer das Höchste gewesen sind - da hat er viel an mich vererbt.

Eigentlich wollten Sie doch einen ganz anderen Film haben: Bei den "Französischen Filmtage" wünschten Sie sich unlängst einen Film über sich mit dem Titel "Der Klimaheld"…

Das war eine spontane Antwort mit einer ordentlichen Portion Selbstironie - leider geht das bisweilen verloren, und dann wirft man mir vor, ich sei zu überheblich. Diesen Film wird es also nicht geben. Stattdessen habe ich mit "Eine Stadt macht blau" ja ein Buch über Klimaschutz in der Kommune geschrieben.

Bisweilen trägt der Alltag mit dem ganzen Kleinkram der Macht fast loriotmäßige Züge - wie groß ist die Gefahr, im Streit über Parkplatzgebühren die große Linie zu verlieren und aufgerieben zu werden?

Man muss die Balance schaffen: das große Ganze sehen, seine Grundlinie halten. Und dennoch die alltäglichen Sorgen der Leute berücksichtigen und Lösungen anbieten - das ist eine entscheidende Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit jedes Oberbürgermeisters: Die Nähe zu den Alltagsproblemen der Menschen mit Visionen und strategischen Zielen zu verbinden. Das kann ich nach zwei Jahren noch nicht von mir behaupten, ich hoffe, dass ich das auch schaffen kann.

Was ist denn dieses titelgebende "Palmer-Prinzip"?

Das müsste man die Autoren fragen. Meine Mutter meint, damit sei ein Satz meines Vaters angesprochen: In der Politik ist es wie beim Bäumeschneiden. Man muss die Oberen stutzen, damit die Unteren mehr Licht bekommen.

"Das Palmer-Prinzip", SWR, Montag 23 Uhr.

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