Springers Gewaltfantasien: "Schlagt ihn tot, hängt ihn auf"
Der Dutschke-Attentäter soll Kontakte zu Nazis gehabt haben. Kann der Springer-Konzern nun sein Image verbessern? Nach dem Motto: Die Rechten sind's gewesen.
BERLIN taz | Als Josef Bachmann am 11. April 1968 den Studentenführer Rudi Dutschke niederschoss, hatte er zuvor das NPD-Blatt Deutsche Nationalzeitung gelesen. "Stoppt Dutschke jetzt!", wurde dort gefordert, und genau das tat der Hilfsarbeiter Bachmann. In seiner Wohnung fand sich später ein Hitlerporträt. Bachmann war ein Rechtsextremist.
Neue Recherchen haben nun ergeben, dass Bachmann Kontakte zu Neonazis in Niedersachsen hatte. Wie eng diese Verbindung war, ist unklar. Vielleicht hat er sich nur an gemeinsamen Schießübungen beteiligt, vielleicht war die Beziehung enger. Man weiß es nicht. Ziemlich sicher ist, dass die Ermittler 1968 die Neonazi-Spur nicht aufmerksam verfolgten. Der Polizeiapparat arbeitete offenbar nur träge, wo es Neonazis zu jagen galt. Die These, dass Bachmann ein Einzeltäter war, hatte außerdem etwas bestechend Übersichtliches und Praktisches.
Das Springer-Blatt Welt findet, dass die Akten "ein neues Licht auf die Vorgeschichte des Attentats" werfen und natürlich die pauschale Kritik des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) am Springer-Konzern relativieren. Das Springer-Blatt BZ weiß, dass die "Geschichte um das Attentat höchstwahrscheinlich neu geschrieben werden muss".
Es ist zu vermuten, dass die Rolle des Konzerns im "neuen Lichte" der Aktenfunde wundersam milde erscheint. Springer versucht schon seit längerem das finstere Bild, das seine Kampfpresse in 60er-Jahren abgab, aufzuhellen. Thomas Schmid, gewendeter 68er und heute Welt-Chefredakteur, schrieb, dass der Konzern "über die 68er-Bewegung sehr viel differenzierter berichtet hat, als es im Schreckbild von der ,hetzerischen Springerpresse' vorgesehen ist". Der Verlag versuchte im eigenen Haus ein Tribunal zu organisieren, in dem 68er dieses neue Geschichtsbild beglaubigen sollten. Allerdings musste dieser Plan mangels williger Protagonisten fallen gelassen werden. Doch das Bedürfnis in dem Konzern, das "Schreckbild von der ,hetzerischen Springerpresse'" endlich auszuradieren, ist ungestillt. Und die neueren Aktenfunde scheinen diesem Wunsch passgenau zu entsprechen. Karl-Heinz Kurras, der Westberliner Polizist, der Benno Ohnesorg erschoss, war bei der Stasi. Josef Bachmann, der im Prozess bekundete, vor dem Attentat auch die Bild gelesen zu haben, war ein Neonazi. Ist Springer damit nicht fein raus aus der historischen Verantwortung für die Eskalation 1967 und danach? So nach dem Motto: Wir sinds nicht, die Stasi und die Nazis sinds gewesen.
So war es nicht. Die Kommentarüberschrift "Stoppt den Terror der Jungroten jetzt", stammt nicht aus einem NPD-Blatt, sondern aus Bild am 7. Februar 1968. In Karikaturen in Springer-Blättern tauchten die Studenten als neuer SA-Mob auf, der den Springer-Verlag attackierte. Eine Selbstinszenierung, in der sich Springer an die Stelle der jüdischen Opfer der Pogromnacht 1938 hallunzinierte. Die Springer-Blätter quollen über vor Gewaltfantasien, die sich nicht erst bei Bachmanns Schüssen auf Dutschke entluden. Im Februar 1968 versuchte eine aufgebrachte Menge einen Verwaltungsangestellten zu lynchen, den eine entfernte Ähnlichkeit mit Dutschke fast das Leben kostete. "Schlagt ihn tot, hängt ihn auf", schrie die Menge.
Die Täter waren keine Neonazis und IMs, sondern Bürger. Und Leser der Springer-Presse.
Leser*innenkommentare
derda
Gast
also für mich hörte sich diese sache schon immer iemlich nach GLADIO an!
wurstig
Gast
@Wütend
du bist vielleicht ein spinner!
les lieber bildzeitung....
... was für ein tagträumer!
Christian Alexander Tietgen
Gast
Selbst wenn Rechte schuld waren, die Springer-Hetzkampagne war moralisch höchst bedenklich.
Werner Lorenzen-Pranger
Gast
"Waren die Spontis in Frankfurt nicht völlig antisemitisch? Wurden nicht vor allem Häuser von Ignatz Bubis angegriffen?"
***
Na, dann machen sie sich doch mal die Mühe etwas zu recherchieren - statt sich in "Wut" zu üben. Dafür kann man das Internet nämlich prima nutzen!
Übrigens: Bubis war nicht die einzige zweifelhafte Erscheinung, später an der Spitze des Zentralrats der Juden. Googeln sie doch auch gleich mal den Namen Nachmann mit... ;o)
Hier gings nicht um "Anti-Semitismus", sondern um ungesühntes kriminelles Verhalten und den Mißbrauch von Macht. Bubis hat unter anderem "konservative" Politiker, seine Freunde, dazu gebracht, verfassungswidrig in die Freiheit der Kunst einzugreifen.
Helmut
Gast
Ich Frage mich warum,warum das Schuhwerk der
Rechten Chaoten Springerstiefel heisst.
Sonne
Gast
Es ist eine kleine und späte Gerechtigkeit, daß das "Ministerium für Wahrheit und Volksbildung" nun in der Rudi-Dutschke-Straße residiert.
Kevin Groß
Gast
An reblek: Ich habe ein paar Bücher über den guten Herrn Dutschke gelesen und ich glaube an dem Begriff des Studentenführers wird es wohl nicht hängenbleiben ;-) Er hatte niemals ein Problem damit sich Führer zu nennen oder Führer genannt zu werden. Ich für meinen Teil sehe ihn weiter als Studentenführer der 68er an. Er wusste schon, dass er die Führungsperson, die Spitze am Kopf der Bewegung war.
Quelle: Jürgen Miermeiste; Rudi Dutscke eine Monografie
(stand glaub ich so um Seite 20 rum)
Im übrigen wo ist denn nun das von Springer angekündigte Tribunal xD
flanders
Gast
Hallo "the fnord", auf deine Empfehlung hin habe ich mir die Online-Ausgabe der Bild-Zeitung angesehen. Das lasse ich aber in Zukunft lieber...
Trotzdem muss ich mal nachfragen: welche Ironie steckt wo in dem besagten Artikel?
the fnord
Gast
Habt Ihr heute mal auf Bild.de die Artikel "Beamte in Angst - Wehe Du bist Polizist in Deutschland" und "Linker Terror in Berlin - Gibt es bald den ersten Toten?" gelesen? Oh welch herrliche Ironie. Lasst Euch das ganz genüsslich auf der Zunge zergehen! Mmmmmmhhhhh, lecker!!!
flanders
Gast
Die Springerpresse ist schon ein seltsames Ding, die muss man wirklich nicht mögen.
Aber als Überschrift für einen Artikel
-
Springers Gewaltfantasien
"Schlagt ihn tot, hängt ihn auf"
-
zu wählen, ist genau der Stil der Bildzeitung. Durch die Assoziation der beiden Titel wird dem unaufmerksamen Leser suggeriert, das sei ein Springer-Zitat, was es aber nicht ist. Exakt der Journalismus-Stil, der von Walraff in seinem Buch " der Aufmacher" über die Bild-Zeitung so entlarvend dargestellt wurde.
Nun auch in der Taz. Na prima, ich fühle mich glänzend informiert.
Ullrich F.J. Mies
Gast
Ja die Hetzerpresse wollte den aufgewiegelten Mob, damit er Dutschke et.al. erschlug.
Sie waren und sind die schreibende ideologische Vorhut der politischen Reaktion. Damals gegen Dutschke, heute pro Wettbewerbsterror, Ungleichheit und imperialistische Kriege.
Hunde sind das.
Kommentator
Gast
@Stacheltier
Interessant.
Haben Sie die Arbeit veröffenlicht?
Würde ich gerne reinlesen.
Gute Auszüge (Zitate etc.) reichten auch aus.
Gruß, Kommentator.
Wütend
Gast
Und? Waren die 1968 nicht wirklich SA-mäßig in ihrer gewalttätigen Intoleranz? Waren die Spontis in Frankfurt nicht völlig antisemitisch? Wurden nicht vor allem Häuser von Ignatz Bubis angegriffen? Die 68er waren auch nicht besser als ihre Naziväter. Draufhauen und Ohren zuhalten. Und natürlich der böse Jude als gemeinsames Feindbild. Wenn 68 doch nur zerlegt würde, entmystifiziert, auf den Boden der Tatsachen gebracht... es wäre nichts übrig, außer fanatischen und intoleranten (im besten Fall nur naiven) Tagträumen von Spinnern....
besserwisser
Gast
An reblek:
Bevor Sie Rechtschreibfehler in der TAZ ankreiden, sollten Sie sich erstmal den eigenen Leserkommentar anschauen!!!
vic
Gast
"Die Täter waren keine Neonazis und IMs, sondern Bürger. Und Leser der Springer-Presse."
Und aus diesem Grund lehne ich Plebiszite mit diesen Bürgern ab. Was Bild und Leserschaft betrifft, hat sich nicht viel geändert.
alex d.
Gast
sehr interessant, dass man immer wieder beobachten darf, dass springerkritische beiträge im deutschsprachigen internet immer vergleichsweise schnell von scheinbar unparteiischen usern niedergemacht werden...
grafinger
Gast
"Die Täter waren keine Neonazis und IMs, sondern Bürger. Und Leser der Springer-Presse."
Klar, aber in erster Linie waren sie Berliner. Und das erklärt dann doch wieder alles. (SCNR)
Vielleicht sollte um des lieben Friedens willen ein Verbot der Verbreitung von Druckerzeugnissen im Land Berlin erlassen werden.
Ausnahmen sind nur "Brigitte", "Readers Digest", "fit for fun" und TV-Blätter. Sonst könnten ja die Berliner wieder zum Lynchmob mutieren...
Steffen
Gast
@reblek: Und "Schäden" sollte dann wohl "Schädel" heißen? Wenn schon denn schon.
Holger Szymanski
Gast
Es kann nicht schaden, wenn auch TAZ-Journalisten sich erst kundig machen, bevor sie anfangen zu schreiben. Die "Deutsche National-Zeitung" war nie ein NPD-Blatt, sondern gehört bis heute Dr. Gerhard Frey, der später die Deutsche Volksunion gründete und lange Jahre führte und finanzierte. Heute schreibt übrigens auch der Alt-68er Bernd Rabehl gelegentlich in dem Blatt.
Stacheltier
Gast
Ich habe alle Springerartikel zu dem Thema aus den Jahren 1967 und 1968 gelesen, da ich eine Arbeit zu dem Thema geschrieben hab in diser ging es unter anderem ganz explizit um verwendete Bilder Stilmittel und ähnliches.
Was sich der Springerverlag dort erlaubt hat war beim besten Willen keine "vertretbare Zuspitzung". Selbst der Spiegel hat meiner Meinung nach nicht korrekt Berichtet aber was Bild veröffentlichte war ganz explizite Hetze und hatte nichts mit einer politischen Auseinandersetzung zu tun.
joHnny
Gast
...es ist schade, daß sich heinrich böll nicht mehr äußern kann...
O.Possum
Gast
Ist das niedlich, wenn die taz den WELT-Chef als "gewendeten 68er" bezeichnet... Vorsicht, Glashaus!
rebell
Gast
Die Springer Presse gibt sich Mühe diesen schlechten Ruf zu tilgen? Mir kommt es eher so vor, als wenn man dort weiter an diesem Ruf arbeitet angesichts der aktuellen Berichterstattung z.B. über alternative Hausprojekte, oder im Bildjargon "Linke Terrornester" genannt.
reblek
Gast
"Studentenführer" - Neu geschrieben werden muss offensichtlich immer wieder, dass "Führer" für Dutschke sicher nicht der richtige Begriff ist, aber das geht offensichtlich in den Schäden von taz-MitarbeiterInnen nicht rein.
"sinds" bedarf, das ganz am Rande, eines Apostrophs: sind's.
Michael Christian
Gast
Es kann nicht schaden, wenn auch TAZ-Journalisten sich ewrst kundig machen, bevor sie die obligate Springer-Polemi loslassen: Als Sa-ähnlichen Mob haben nicht nur Springerblätter Teile der "Studentenbewegung" bezeichnet, sondern auch Männer wie Richard Löwenthal und andere zurückgekehrte Emigranten der Linken und der Frankfurter Schule.Und die Forderung "Stoppt den Terror der Jung-Roten!"ist angesichts des Tobens auf den Straßen eine publizistische Zuspitzung, die druchaus vertretbar war.Also was soll das Theater?