die wahrheit: Im Jahr des Ochsen

Es gibt Reis, Baby!

Vor gut einem Monat veröffentlichte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) eine Erklärung, in der es China für seine Bemühungen lobte, den Hunger in Afrika zu bekämpfen. "Chinas eigener Erfolg", betonte darin Josette Sheeran, die Direktorin des WFP, "bei der Bekämpfung von Mangelernährung und der ausreichenden Versorgung mit Lebensmitteln ist ein Beispiel für die Welt, wie der Hunger innerhalb einer Generation besiegt werden kann."

Das kann man wohl sagen. Als China die Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm im Jahr 1979 begann, musste die Organisation noch 400 Millionen Chinesen mit Nahrungsmitteln versorgen. Rund 25 Jahre später, im Frühjahr 2005, konnten diese Hilfen eingestellt werden. Im gleichen Jahr begann China, das WFP mit eigenen Lebensmittellieferungen zu unterstützen, und war damit sofort das drittgrößte Geberland der Welt.

Trotzdem nimmt in anderen Teilen der Welt der Hunger zu. Eine Milliarde Menschen sind unterernährt, stellten die Vereinten Nationen anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober fest. Tendenz steigend. Die FAZ zitierte am 18. November eine Studie des US-Landwirtschaftsministeriums, nach der in den USA 49 Millionen Menschen nicht über genügend Geld verfügen, um regelmäßig ausreichend Nahrungsmittel zu kaufen. Und auch in Deutschland scheinen die Lebensmittel langsam knapp zu werden. Das zumindest fiel mir in den letzten Monaten auf, als ich mein altes Heimatland auf Lesetour durchstreifte. Auf dem Oeder Weg in Frankfurt wurde ich vor einem hessischen Restaurant von einer Dame mittleren Alters angesprochen. Sie trug zwar einen feinen Mantel, doch bat sie mich, ihr etwas zu essen zu spendieren: "Ich habe seit Tagen nichts Anständiges mehr zu mir genommen." Ich war so verdattert, dass ich schnell das Weite suchte.

In Hamburg war ich schon gefasster. Als ich mir vor dem Hauptbahnhof eine Zigarette anzünden wollte, kam mir ein hagerer Typ zuvor. Der Mann wollte aber nicht nur behilflich sein, er hatte auch eine Bitte: "Könnse mir ne Currywurst kaufen? Ich esse sie auch vor Ihren Augen auf." Also gab ich ihm eine aus und sah zu, wie er sie heißhungrig runterwürgte.

Auch in Berlin gings um die Wurst. "Bringste mir eine Bockwurst mit?", fragte mich bei einer Ausstellungseröffnung eine junge Schöne. "Ich habe meinen Geldbeutel vergessen." Vor meiner Auswanderung nach China wurden in Berlin auf Partys oder bei anderen Geselligkeiten nur Zigaretten geschnorrt; das dortige Prekariat war chronisch unternikotiniert. Jetzt hat es offenbar auch nichts mehr zu essen.

Ich war entsetzt, aber auch froh, dass ich, der ich aus dem reichen China komme, helfen konnte. Aber wer unterstützt die Deutschen, wenn ich demnächst wieder in Peking bin? Wahrscheinlich muss dann der chinesische Staat einspringen. Doch ich warne die Hungernden Deutschlands vorab. China spendiert hauptsächlich Reis und keine Rippchen oder Currywürste. Am besten, Sie schaffen sich schon mal Stäbchen an.

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kari

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