Vereinigtes Emirat Sharjah: Fördertürme strahlen wie Minarette
Das Emirat am Golf hat zahlreiche Museen und eine Kunstbiennale, die einheimische Künstler fördern will. Ein Besuch in der „kulturellen Hauptstadt der arabischen Welt“.
Dubai ist pleite - Urlaubsreisen fast geschenkt: Verein. Arab. Emirate - Hilton Ras Al Khaimah Hotel (4 Sterne), 14 Tage, DZ/ÜF ab 633 Euro. Das First-Class-Hotel liegt an einer Lagune im Zentrum Ras al Khaimahs. In der gepflegten Außenanlage lädt der Swimmingpool mit Sonnenterrasse zum Baden und Entspannen ein. Der Privatstrand ist mit dem Shuttlebus ca. 5 Minuten entfernt.“
Das Mekka des Kapitalismus auf der arabischen Halbinsel hat zurzeit schlechte Presse und günstige Preise. „Es ist noch genug Geld und Öl da, zumindest beim großen Bruder in Abu Dhabi“, wiegelt Ahsraf ab. Ahsraf arbeitet für das Tourismusbüro in Sharjah, dem Nachbaremirat von Dubai. Der Ägypter lebt seit 10 Jahren hier, schwört auf den Koran und spricht perfekt Deutsch, ohne jemals in Deutschland gewesen zu sein.
Er führt uns durch das als kunstsinnig gepriesene Sharjah. Das kleine Emirat hat seit 1998 die Unesco-Auszeichnung „kulturelle Hauptstadt der arabischen Welt“. Hier pflegt man die Tradition, schenkt - trotz des Buhlens um Touristen - nirgends Alkohol aus; es gibt zahlreiche Museen und seit acht Jahren eine Kunstbiennale, wo einheimische Künstler gefördert werden sollen. Intensivste Freizeitbeschäftigung ist Einkaufen in den traditionellen Souks voller Gold und Kaschmirschals oder in deren moderner Variante, den riesigen Malls mit Gucci und Boss, dazwischen traditionelle Gewürz- und Gemüsemärkte. Sharjah ist die günstige Alternative zu Dubai, weniger protzig und poliert. Und es setzt auf Tourismus.
Eine Investition in den touristischen Ausbau ist das „Sharjah Aquarium“ auf der historischen Al-Khan-Halbinsel, das mit 250 Spezies einen Überblick über die Meeresfauna am Golf bietet. Sogar das Wort Nachhaltigkeit, dass hier am Golf irgendwie deplatziert scheint, findet wir auf den Schautafeln des Ozeanums. „Man braucht ein Auto mit einer guten Klimaanlage, wenn im Sommer die Temperaturen über 50 Grad steigen“, sagt Ahsraf. In Europa reden alle übers Klima, hier wird es munter mitgemacht: der spritfressende Hammer ist beliebtes Statussymbol; die Straßen und Hochhäuser glitzern nachts, als wäre immer Weihnacht; zu Fuß gehen ist armselig.
Sharjah ist die schnell aus dem Boden geschossene Wohnstadt der Angestellten und Arbeiter aus Indien, Pakistan oder den arabischen Ländern. Sie quälen sich morgens und abends durch zähen Verkehr zu den Büros und Baustellen nach Dubai. Die Bevölkerung Sharjahs ist auf die Arbeitsplätze in Dubai angewiesen. „Man schätzt, dass etwa jedes zweite Einkommen der Einwohner im Nachbaremirat Dubai gemacht wird, während man wegen der günstigeren Mieten in Sharjah wohnt“, sagt Ahsraf.
Wir flanieren auf nicht fußgängerfreundlichen Wegen entlang der Corniche zu den sogenannten historischen Stätten. Vorbei an den im Hafen vor Anker liegenden Dhaus. Diese traditionellen Schiffe, die den kleine Grenzverkehr mit dem Iran abwickeln, sind die einzig wirklich authentischen Boten aus vergangenen Zeiten. Der touristisch angepriesene Blick in die Vergangenheit, beispielsweise auf das im 18. Jahrhundert erbaute Haus aus Korallenstein der Kaufmannsfamilie al-Nabooda, ist hingegen enttäuschend. Dort werden der arabische Innenhof und Gegenstände des alltäglichen Leben gezeigt. Doch eingebettet zwischen Hochhäusern wirkt das Ensemble wie ein vergessenes Überbleibsel. Die sogenannte Altstadt Sharjahs verteilt sich auf einzelne Objekte, die, wie auch die alte Residenz des Emirs, verloren im Schatten der Hochhäuser stehen.
Im Islamischen Museum an der Corniche empfängt uns die deutsche Co-Direktorin, Ulrike al-Khamis. Der ehemalige Souk mit seinen Kuppeln und Verzierungen ist ein repräsentativer orientalischer Bau. „Es war der älteste Souk der Stadt“, sagt Ahsraf. „1970 wurde er erbaut und seit 2008 ist hier das Islamische Museum.“ Am Golf wird die Zeit in das Leben vor und nach dem Erdöl (1970) geteilt. Alt ist eigentlich vor 1970. Das Museum, das erste islamische der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) überhaupt, beherbergt wertvolle Exponate, unter anderem aus Berlin. Auf 10.000 qm Ausstellungsfläche finden sich Gebetsteppiche, kalligrafische Kunstwerke, Metall- und Keramikarbeiten, religiöse Manuskripte oder historische Fotografien. In der Eingangshalle sind modische Bade- und Jogginganzüge für Musliminnen ausgestellt.
„Was sich bei uns in 400 Jahren abgespielt hat, geschieht hier in 30 Jahren“, sagt Ulrike al-Khamis. „Das wird oft belächelt oder abgelehnt. Doch hier leben Menschen und keine Schablonen.“ Sie lebt gerne hier. „Ich wohne mit meinen beiden Töchtern allerdings auch nicht isoliert im Hochhaus, sondern mitten in der Community“, sagt sie. „Das ist ein Miteinander von Indern, Pakistanern und Arabern.“ Eine Kultur könne man nur von innen und nicht von außen verstehen, weiß die Islamwissenschaftlerin.
„City of Life“ heißt der Film des dubaischen Jungregisseurs Ali F. Mostafa, der gerade in der Golf News besprochen wird. Er zeigt das Leben einer russischen Prostituierten, eines Emiratis und eines indischen Taxifahrers, die sich begegnen. Auch er kämpft gegen das Schablonendenken, das den Urlauber hier so leicht anfällt, wenn ihm die Menschen in den immer gleichen Dischdaschs und Abayas, den traditionellen Gewändern, begegnen und fremd bleiben.
Beispielsweise im Vergnügungsviertel al-Qasba, mit künstlichem Kanal und Gondeln, mit Riesenrad und Restaurants aus aller Herren Länder. „Wir haben 3.000 Besucher jeden Tag und 30.000 am Wochenende“, erzählt die aus dem syrischen Aleppo stammende Mona von der Seaside Lagune Waterfront. „Sie kommen aus allen Emiraten hierher.“ Al-Qasba ist ein Erfolg. Hier amüsiert sich ganz Sharjah bei Starbucks oder Burger King - hier trifft man auch die 23 Prozent Einheimischen, Männer wie Frauen. Hier trifft man Inder und Pakistaner, die sie bedienen; deutsche und russische Touristen, die sich alkoholfrei amüsieren.
Das Emirat ist eines der sieben Vereinigten Arabischen Emirate. Wegen der vergleichsweise geringen Erdölvorkommen kann es nicht mit dem Wachstum Abu Dhabis und Dubais mithalten.
Herrscher (Emir) ist seit 1972 Sultan Bin Muhammad aus der Herrscherfamilie al-Qasim. Sharjah gilt als das konservativste Emirat der VAE, da es noch weitgehend die Scharia einhält. Es verfügt immer noch über ein strenges Alkoholverbot auch für Ausländer.
Touristische Information: www.sharjahtourism.ae
Die beschriebene Reise erfolgte auf Einladung des Tourismusministeriums von Sharjah.
Wir fahren nach Khor Fakkan, dem Hafen von Sharjah an der Ostküste. Stopp am sechs Kilometer großen Campus von Sharjah. Er passt zum Image der Kulturhauptstadt. Nördlich ist die „American University Sharjah“ (AUS) untergebracht, südlich schließt sich die 1997 gegründete „University of Sharjah“ (UOS) an. Scheich Dr. Sultan Bin Muhammad al-Quasimi gilt als Intellektueller und Förderer der Wissenschaft. Er selbst hat Philosophie studiert und lässt sich die Wissenschaft etwas kosten. Die Gebäude und Einrichtungen in traditionell arabischen Stil und mit modernster Technik säumen breite Straßen mit Grünstreifen und Blumenbeeten. Ein Riesenaufwand im Wüstenstaat. „In beiden Universitäten liegt der Frauenanteil bei über 70 Prozent“, sagt Ahsraf. Die StudentInnen rauschen in meist funkelnagelneuen Autos und mit abgetönten Scheiben an uns vorbei.
Auf den Straßen nach Khor Fakkan stauen sich Kolonnen von Lastwagen. Sie bringen Steine nach Dubai. Total kann der Baustopp dort nicht sein. Vorbei an riesigen Öltanks, aus denen die Tanker aus allen Weltregionen beladen werden, kommen wir zum angeblich schönsten Strand der VAE in Khor Fakkan. Auch von hier sind die Öltanks nicht zu übersehen. Selbst das beste Hotel des Emirats, das SA Radisson, gibt den Blick auf Bohrtürme frei.
Urlauber in Sharjah müssen ein Faible für Industriekultur haben oder sie suchen die Rundumversorgung in luxuriösen Hotels mit immer dienstbereitem Personal und Sonnengarantie. Sie müssen auf schnittige Wüstentouren im Jeep stehen. Oder sie lieben inszenierte Welten und Gold und Weihrauch aus dem Morgenland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Ost-Preise nur für Wessis
Nur zu Besuch