Arevas Vertrag mit Abu Dhabi geplatzt: Katzenjammer in Paris

Nachdem Areva den Jahrhundertvertrag von Abu Dhabi verpasst hat, muss sich Frankreichs Atomindustrie fragen, wo sie ihre EPR-Technologie überhaupt loswerden kann.

EPR-Reaktor der dritten Generation, Baustelle in Flamanville. : dpa

Für die französische Atomindustrie ist es eine demütigende Niederlage, dass Abu Dhabi vier Kernreaktoren mit je 1.400 Megawatt von einem koreanisch-japanischen Konsortium bauen lässt und diesem auch den Betrieb übertragen will.

Nicht nur wegen der rund 20 Milliarden US-Dollar, um die es bereits in der ersten Hälfte des zweiteiligen Vertrags ging - die Asiaten haben noch kein einziges Atomkraftwerk exportiert. Die französischen Champions der Nukleartechnologie müssen sich fragen, warum sie ihnen trotzdem den Auftrag weggeschnappt haben.

Für die französische Atomindustrie wäre es ein wichtiger Schritt gewesen, den von Areva und Siemens gemeinsam entwickelten Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) der "dritten Generation" international zu etablieren. Mit dieser Technologie will Frankreich die veralteten Reaktoren in Ländern ablösen, die wie die Schweiz oder Deutschland erwägen, erneut auf die Atomkraft zu setzen.

Allerdings hatte sich das französische Konsortium den EPR teuer bezahlen lassen wollen: Zwar gibt es keine detaillierten Angaben, seine Offerte soll jedoch knapp ein Drittel teurer gewesen sein als die südkoreanische.

Selbst Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte sich in den Wettbewerb eingemischt und den staatlichen Energiekonzern EDF gezwungen, sich der Gruppe anzuschließen, der neben Areva der an einer nuklearen Diversifizierung interessierte Erdölkonzern Total sowie sein wichtigster Konkurrent GDF-Suez angehörte. EDF betreibt in Frankreich 58 Reaktoren und sollte darum für die Golfstaaten als Garant für ein Know-how bei der nuklearen Stromerzeugung auftreten.

Hinzu gekommen sein könnte auch das zuletzt angeschlagene Image des EPR: Die ersten vier Reaktoren werden derzeit in Finnland, Frankreich und China gebaut. Zumindest das Projekt in Finnland ist inzwischen zu einem Problem geworden. Verzögerungen kosteten bislang fast 3 Milliarden Euro.

Zusätzlich hatten die finnischen, französischen und britischen Strahlenschutzbehörden vor wenigen Wochen auch noch mangelnde Sicherheitsvorkehrungen bei den Reaktoren gerügt. So nutzte es auch nichts mehr, dass Sarkozy persönlich an den Golf flog.

Tatsächlich begründeten die Vereinigten Arabischen Emirate die Entscheidung für das Konsortium aus Hyundai, Samsung und Doosan sowie der Toshiba-Tochter Westinghouse Electric damit, dass deren Technik "Weltklasse in punkto Sicherheit" biete.

In Frankreich wird nun erst einmal aufgeräumt. Sarkozy hat den früheren EDF-Boss François Roussely beauftragt, Vorschläge für eine Straffung und Reorganisation der französischen Nuklearindustrie auszuarbeiten.

Zum Sündenbock könnte Areva-Chefin Anne Lauvergeon werden. "Atomic Anne" gehört zwar laut Magazin Forbes seit Jahren zu den zehn mächtigsten Frauen der Welt, und sie hat trotz aller Anfeindungen bereits vier Premierminister und neun Industrieminister überlebt. Aber das jüngste Fiasko könnte nun doch zu viel gewesen sein.

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