Anklage wegen "Glücksspiel": Illegal um Schokolade bereichert

Ein 66-jähriger Häftling steht vor dem Hamburger Amtsgericht, weil er in der JVA Glücksspiele veranstaltet hat. Einsatz war Ritter-Sport-Schokolade im Wert von 89 Cent.

Laut Staatsanwalt hinter Gittern keine angemessene Beschäftigung: die Fußballwette. Bild: Foto [M]: dpa

HAMBURG taz | "Veranstaltung von unerlaubtem Glückspiel" nennt es die Staatsanwaltschaft. Der Einsatz lag bei einer Tafel Ritter Sport-Schokolade, die ist in der Hamburger Justizvollzugsanstalt für 89 Cent zu haben. Deswegen stand der 66-jährige Peter-Josef H. am Montag vor dem Hamburger Amtsgericht. Er hat bei den Fußball-Wetten als Verwalter zehn Prozent des Einsatzes behalten.

Bei 45 Mitspielern wären das vier Tafeln Schokolade, davon gingen zwei an den Mann, der die Tippscheine am Computer erstellte, eine an den Mann, der sie kopierte, eine an ihn selbst. Peter-Josef H. hat sich also bei dem Spiel, um dessentwillen er nun vor Gericht steht, um 89 Cent bereichert.

Die Richterin erklärt sehr ausführlich, warum dieser Fall überhaupt verhandelt wird. Das ehrt sie in Zeiten, in denen man sich fragt, ob die Prozesse um Kündigungen wegen unrechtmäßig gegessener Brötchen zunehmen oder ob sie schlicht mehr Aufmerksamkeit finden. "Die Frage ist, ob die Unwesentlichkeitsgrenze überschritten ist", sagt die Richterin und dass es dazu verschiedene Meinungen gebe. Und dann sagt sie noch, dass es wohl besser sei, zu wetten als sich die Köpfe einzuschlagen.

Peter-Josef H. ist ein lebhafter Angeklagter, er trägt eine Fleecejacke und eine helle Stoffhose und er räumt nur eine Wette ein, die beiden anderen, die ihm die Anklage vorwirft, bestreitet er. Es sei da um Tabak gegangen, sagt Peter-Josef H., mit einem Einsatz von 3,50 Euro, das sei ihm zu viel. Das Gericht glaubt ihm.

Aber das hilft ihm erst mal wenig. Denn der Staatsanwalt ist nicht gewillt, das Verfahren einzustellen. Die Justizvollzugsanstalt erklärt ausführlich, warum ihr das Verfahren wichtig ist und der Staatsanwalt sagt es noch einmal: "Fußballtippspiele außerhalb der JVA mögen ein Privatvergnügen sein, nicht aber in einer JVA."

Auch der Anwalt von Peter-Josef H. glaubt nicht, dass sich die JVA um die 89 Cent grämt. "Sie wollen klare Verhältnisse", sagt er. Und auf dem Flur sagt er noch, dass Peter-Josef H., der diverse Einträge im Strafregister hat, unter anderem wegen Hehlerei und Betrugs, ein unbequemer Häftling sei: einer der immer wieder Anträge stelle und der zuletzt eine Entschädigung zugesprochen bekam, weil die Anstaltsleitung ihn zu Unrecht von seiner Arbeit abzog.

Die Richterin deutet an, dass sie es bei einer Ermahnung mit Strafvorbehalt belassen könnte. Der Staatsanwalt fordert 30 Tagessätze à 2 Euro, weil Peter-Josef H. wisse, dass das Glücksspiel nicht zu seinen "Aufgaben gehörte und nicht der Art entspricht, wie man sich in der JVA ein Zubrot verdient". Es schaffe Begehrlichkeiten - "und deshalb unternimmt die JVA mit gutem Recht den Versuch, das zu unterbinden".

Peter-Josef H. sagt, dass die Anstalt seit Jahren von den Fußballwetten wusste. Sein Anwalt fragt, warum es die JVA nicht bei dem bereits abgebüßten Arrest des Angeklagten beließe. Und ob überhaupt gesichert sei, dass Peter-Josef H. gewusst habe, dass er für die Wetten eine Genehmigung gebraucht hätte. Der Anwalt fordert Freispruch. Und dann kommt es ganz anders. "Auf dieser Grundlage kann ich kein Urteil fällen", sagt die Richterin. "Nicht einmal eine Verwarnung aussprechen." Und setzt das Verfahren aus.

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