Machtkampf in Linkspartei: Mut zur Lücke

Nach Dietmar Bartsch verabschiedet sich mit Bodo Ramelow das nächste prominente Gesicht des pragmatischen Flügels der Linken. NachfolgerInnen sind nicht in Sicht.

Wer die Nachfolge von Bodo Ramelow (2.v. li) und Dietmar Bartsch (re.) antreten wird, ist noch unklar. Bild: reuters

In der Linkspartei schwelen die Konflikte weiter - auch nach Dietmar Bartschs Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur als Bundesgeschäftsführer. Bodo Ramelow, Fraktionschef in Thüringen, wird nicht mehr für den 44-köpfigen Parteivorstand kandidieren. Ramelow gilt neben Bartsch vor allem in den Medien als Gesicht des pragmatischen Flügels der Linkspartei.

Steffen Bockhahn, Landesvorsitzender der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern, sagte der taz: "Klar ist das ein Verlust." Parteivizechefin Halina Wawzyniak meint: "Ohne Bartsch und Ramelow wird es nicht leichter." Allerdings gilt Ramelow in der Linkspartei als beschädigt, seit er in einem Interview direkt nach Bekanntwerden von Lafontaines Krebserkrankung im November die Nachfolgedebatte forciert hatte. Das Interview war ein Paradebeispiel für falsches Timing. Im Grunde war richtig, was Ramelow sagte - nämlich dass die Linkspartei mittelfristig ohne Lafontaine überleben können muss und ein Generationswechsel ansteht. Katastrophal war der Zeitpunkt.

Ramelow, so sehen es auch Pragmatiker im Osten, hat sich damit selbst aus dem Rennen um eine Führungsposition genommen. Allerdings wird er weiterhin bei der Fraktionsvorsitzendenkonferenz präsent sein. Dietmar Bartsch ist nur noch bis Mai Bundesgeschäftsführer. Er muss bis dahin den Parteitag in Rostock vorbereiten und den NRW-Wahlkampf unterstützen. Das kann heikel werden, weil die Landesspitze in NRW seine Demontage vorangetrieben hat. Bartsch sieht darin kein Problem. "Mit NRW hat die Zusammenarbeit bisher gut geklappt", so der Bundesgeschäftsführer zur taz. Faktisch führt Bartsch derzeit, in Abwesenheit der Parteichefs Oskar Lafontaine und Lothar Bisky, die Geschäfte in der Parteizentrale.

Allerdings zeichnet sich ein Problem für den pragmatischen Flügel ab. Mit dem Teilrückzug von Bartsch und Ramelow, die nach dem Parteitag in Rostock erst mal in Wartestellung gehen, verliert er seine öffentlich wahrgenommenen Sprachrohre. Wer diese Lücke füllen wird, ist offen. "Es wäre schön", so ein Parteifunktionär aus dem Osten, "wenn wir bald aufhören würden zu erklären, wer für was nicht kandidiert."

Deutlich ist jedoch, dass die östlichen Landesverbände, von Schwerin bis Dresden, in der Krise stärker miteinander kooperieren. Die Erklärungen der Verbände zu der Affäre Bartsch klangen ziemlich gleich und waren offenbar abgesprochen. Das ist nicht selbstverständlich, denn die Linkspartei ist im Osten ebenso wenig homogen wie im Westen. Politisch klaffen zwischen Sachsen und Brandenburg manchmal durchaus tiefe Differenzen. "Das ist", so ein Spitzenpolitiker aus dem Osten, "typisch Ossi: Man versucht es im Kollektiv."

Wie tief die Wunden sind, die der Kampf um Bartsch im Osten geschlagen hat, zeigt nicht nur das Zusammenrücken der Landesverbände, sondern auch die Reaktion von Parteichef Bisky. Er führt noch bis zum Mai zusammen mit Oskar Lafontaine die Linkspartei, ist allerdings bereits jetzt vor allem als Fraktionschef der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament engagiert.

Bisky ist ein Mann, der schrille Tonlagen meidet. Als Parteichef hat er, oft zum Verdruss der Ostgenossen, auf Konsens mit Lafontaine gesetzt und Konfrontationen vermieden. Doch seit Gysi Bartsch öffentlich Illoyalität gegen Lafontaine vorgeworfen hat, ist es für Bisky offenbar mit dem Konsens vorbei. Zumal er sich selbst zuvor schützend vor Bartsch gestellt hatte. Spiegel und Neuem Deutschland sagt Bisky: "Wir haben uns große Mühe gegeben, den Stalinismus zu überwinden. Aber doch nicht, um ihn wieder durch die Hintertür einzuführen." Rhetorisch schärfer kann man die Lage der Partei nicht kritisieren.

Bei der Telefonkonferenz des geschäftsführenden Parteivorstands am Montag polterte Bisky, es sei ja ohnehin egal, was man vereinbare, weil sich sowieso keiner daran halte. Das war direkt auf Gysis nicht abgesprochene Attacke auf Bartsch gemünzt. Nach ein paar Minuten legte Bisky wütend den Hörer auf.

Danach beschloss der Parteivorstand per einmütige Erklärung, dass die Partei Dietmar Bartsch für "seine Verdienste" dankt und nun "zur politischen Sacharbeit" zurückkehrt.

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