Kommentar Spendengala Haiti: Es grüßt das deutsche Elend

Das ZDF holte für Haiti sein vor Provinzialität starrendes Starsystem auf die Bühne - und sorgte dafür, dass ich mir selbst beim Zusehen peinlich bin.

Schnell habe es gehen müssen, sagt Thomas Gottschalk, und bedankt sich bei den deutschen Stars, die so spontan ihre Teilnahme bei der großen deutschen Spendengala zugesagt hätten. Sein erster Gast ist Sarah Connor, die Soulstimme aus Delmenhorst. Vor flammender Videoleinwand singt sie "Hallelujah" von Leonard Cohen. Live. Mit schwarzem Gospelchor. Das ZDF gibt sich weltläufig, will frei nach US-Vorbild großes Emo-Kino ins Fernsehen bringen. Der Auftritt geht live daneben. Und prompt erklärt sich, warum Gottschalks Anmoderation so defensiv ausfiel: Dass "Uns Sarah" die Angelina Jolie hinkriegen würde, erschien ihm unwahrscheinlich. Zu Recht.

Aber geht es bei solchen Veranstaltungen nicht vor allem ums Geld? Heiligt der Zweck nicht die ästhetischen Mittel? Ja: Kitsch darf ruhig auch mal Geld für Bedürftige einbringen. Warum aber verflüchtigt sich das Unbehagen nicht, warum ist das Ganze so peinlich? Weil die Gastgeber ihr Versprechen brechen und die Zuschauer damit auf ihre billige Sehnsucht zurückwerfen. Sie sorgen dafür, dass ich mir selbst beim Zusehen peinlich bin.

Wer an diesem Abend Geld spendete, ob nun 5 oder 500.000 Euro, der will sich in die gute Weltgemeinschaft einfügen, will Teil der guten Internationale sein. Doch dieser herrliche Spaß wird ihm vergällt. Ungerührt holt das ZDF sein vor Provinzialität starrendes Starsystem auf die Bühne. Heißt: keine Corinna Harfouch, kein Jürgen Vogel, keine Martina Gedeck. Sondern: Sarah, BAP und Maffay. Mit diesen Promis und einer Merkel, die noch mal kurz die Sache mit der Spendenquittung erklärt, aber endet die ersehnte Einlassung in die weite Welt mal wieder bei Audi, bei Springer und auf Malle. Das verdirbt vielen unter 60 die Laune. Hätten die Veranstalter das kapiert, sie hätten mehr als 18 Millionen eingefahren. Unter Garantie.

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leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.

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