Staatsstreich in Honduras: Checkliste eines Putsches
Am kommenden Mittwoch ist der Umsturz in Honduras vollendet: Der neue Machthaber, ein Vertreter der Oligarchie, übernimmt die Geschäfte. Wie funktioniert so ein Putsch?
Im Juni des vergangenen Jahres putschte im mittelamerikanischen Honduras die Oligarchie gegen Präsident José Manuel Zelaya. Ende November 2009 wählten die Honduraner den konservativen Oligarchen Porfirio Lobo zum neuen Präsidenten. Kommende Woche übernimmt er offiziell die Geschäfte. Wie also funktioniert der perfekte Putsch?
1. Mit General Romeo Vásquez Velásquez vom Militär sprechen.
2. Sonderkommando "CORES" zusammenstellen.
3. Mitten in der Nacht 2.500 Mann normales Militär losschicken: Flughäfen, Telekommunikationsgesellschaften, die Zentrale der Wasser- und Stromgesellschaft, das Parlament und den Obersten Gerichtshof besetzen. Und die Ausfallstraßen der Hauptstadt nicht vergessen.
4. Im Morgengrauen den Präsidentenpalast stürmen und den Präsidenten wecken: Und zwar mit der Mini-Uzi in der Hand.
5. Den Präsidenten, noch im Schlafanzug, zum Flughafen bringen und nach Costa Rica ausfliegen.
6. Für alle Beteiligten, die den Schuss noch nicht gehört haben: F-5-Jagdbomber anweisen, mitten über der Hauptstadt die Schallmauer zu durchbrechen.
7. Strom in der Hauptstadt ausschalten.
8. Strom wieder anstellen. Parlament zusammenrufen.
9. Vorlesen, dass der amtierende Präsident auf sein Amt verzichtet (nicht vergessen, die Unterschrift unter dem entsprechenden Dokument zu fälschen).
10. Mittagessen.
11. Neuen Präsidenten vereidigen.
12. Die Vereinten Nationen und Gott einen guten Mann sein lassen.
13. Rollfeld des Flughafens blockieren, damit der alte Präsident nicht einfach wieder zurückkommen kann.
14. Wenn er es schafft, über den Landweg wieder zurückzukommen, in die brasilianische Botschaft abschieben.
15. Kritische Kundgebungen konsequent niederknüppeln, entsprechende Medien schließen.
16. Neuwahlen ansetzen. Wahl mit Hilfe des willigen Restvolkes gewinnen.
Der sonntaz-Autor Toni Keppeler ist nach Honduras gereist und hat mit Beteiligten gesprochen, darunter mit dem gestürzten Präsidenten Zelaya. In seiner doppelseitigen Reportage rekonstruiert er minutiös, wie der Putsch in Honduras ablief. Und wie die internationale Gemeinschaft tatenlos zuschaute.
Leser*innenkommentare
smukster
Gast
Schöne Zusammenstellung - aber nach meinem Kenntnisstand ziemlich verharmlosend.
Wurden nicht in der Zeit nach dem Putsch zahlreiche KritikerInnen inhaftiert, gefoltert und z.T. ermordet? "Niederknüppeln" allein reicht halt nicht...
Und gehört nicht zu einem Putsch auch, sich vorher der wohlwollenden Unterstützung bzw. Nichteinmischung mächtiger Staaten zu vergewissern? Aus Berlin gab die Friedrich-Naumann-Stiftung grünes Licht, und es ist kaum vorstellbar, dass die Putschisten nicht auch mit Washington vorher Rücksprache hielten.
richtigername sábio
Gast
wie so ein putsch auch mal in die hose gehen kann (und die putschisten sich in die hose machen) zeigt die doku "the revolution will not be televised" über den versuchten coup d'état 2002 in venezuela:
http://video.google.com/videoplay?docid=5832390545689805144#
bsp. zelaya zeigt: tausende unterstützer auf der strasse helfen nicht, solange das gesamte militär diszipliniert (verängstigt) ihrem gekauften general folgt...
Curacao
Gast
Es geht auch ohne Militär. Siehe den Putsch gegen die gewählte Mehrheit im hessischen Landtag und die Wiederinstallierung der abgewählten Nomenklatura. Auch hier hat das Volk seiner eigenen Entmachtung dankbar zugestimmt. Wichtig ist dabei, dass man die Medien an seiner Seite hat, die dem Volk klar machen, dass es fahrlässig die Falschen gewählt hat, die das Land den Kommunisten freiwillig ausliefern werden. Eine Hexenjagd gegen die gewählte Mehrheitsführerin funktioniert auch ganz gut. Insbesondere wenn es eine Frau ist mit ausländischem Namen.