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Kommentar Öffentlicher DienstWas IG Metall und Verdi trennt

Kommentar von Thilo Knott

Die IG Metall hat gelernt, wie wichtig die Zustimmung der Öffentlichkeit ist. Doch was macht Verdi? Sie schickt ihr Personal mit überzogenen Forderungen auf die Straße.

D en Zeitpunkt für Tarifverhandlungen können sich Gewerkschaften nicht aussuchen. Aussuchen können sie sich nur, welche Forderungen sie erheben. Die beiden größten deutschen Gewerkschaften, die IG Metall und Ver.di, gehen nun, mitten in einer anhaltenden Wirtschaftskrise, mit völlig unterschiedlichen Forderungen an die Öffentlichkeit. Ver.di fordert 5 Prozent mehr Gehalt.

Die IG Metall dagegen verzichtet auf eine konkrete Lohnforderung und konzentriert sich ganz auf die Sicherung von Arbeitsplätzen. Deshalb werden die Metaller am Ende in der Öffentlichkeit als die Vernünftigen dastehen - und die Verdianer als die Gierigen.

Im Prinzip sind die Forderungen von Ver.di durchaus verständlich. Im Dienstleistungsbereich, beim Pflegepersonal oder bei Kindergärtnerinnen, gibt es durchaus Grund, eine Erhöhung der Löhne zu fordern. Die Beschäftigten der Metall- und Elektrobranche hatten in den vergangenen Jahren die weitaus üppigeren Abschlüsse. Deshalb prescht Ver.di jetzt mit seiner Lohnforderung von 5 Prozent vor und droht dem Arbeitgeber, also dem Staat, mit Warnstreiks.

Die IG Metall dagegen verhandelt zwar nicht mit dem Staat, aber die Metaller geben sich mit ihren Forderungen überaus staatstragend: Sie wollen vor allem sichere Jobs - und verzichten dafür auf die üblichen Lohnprozente. Damit setzen sie in Zeiten der Wirtschaftskrise ein Zeichen der Mäßigung. Die IG Metall stellt sich damit in den Dienst der Gesellschaft.

Beim Kampf um öffentliche Anerkennung prallen IG Metall und Ver.di mit ihren Forderungen nun direkt aufeinander. Wie wichtig die öffentliche Akzeptanz in solchen Konflikten ist, musste die IG Metall bei ihrer letzten Tarifrunde 2008 schmerzlich erfahren. Gestartet war sie mit 8 Prozent, der höchsten Lohnforderung seit 16 Jahren. Da konnte sie sich angesichts immenser Unternehmensgewinne noch auf große Zustimmung verlassen. Doch diese Zustimmung nahm ab, als die Wirtschaftskrise einsetzte: Am Ende blieben nur 4,2 Prozent. Daraus hat die IG Metall gelernt.

Auch Ver.di hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Es brauchte nicht mal eine Wirtschaftskrise, um beim letzten Kita-Streik die öffentliche Stimmung kippen zu lassen. Doch was macht die Gewerkschaft jetzt, mitten in der Krise? Sie schickt ihr Personal mit überzogenen Forderungen auf die Straße. Ver.di hat aus seinen Fehlern nichts gelernt.

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10 Kommentare

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  • TK
    Thilo Knott

    Liebe Community,

    sehr schöne Diskussion. Jetzt aber nochmal zur Klarstellung: Ich gehe der Frage nach, was die eine Tarifrunde (IG Metall) mit der anderen (Ver.di) zu tun hat. Es sind andere Fragestellungen, die die Gewerkschaften zu beantworten haben. Nur: Im Kampf um öffentliche Anerkennung - und darum eght's bei jedem Streik - ficht jede Gewerkschaft ihren eigenen Kampf. Wenn also die IG Metall ohne Lohnforderung in die Tarifrunde geht, dann hat das Auswirkungen auf die Ver.di-Runde. Heißt: Es gibt keinen Bandwagon-Effekt mehr bei den Gewerkschaften, es gibt eine sich ausdifferenzierende Tariflandschaft, es gibt also auch so etwas wie Solidarität nicht mehr unter den Gewerkschaften - weil die Interessen zu disparat sind. So: Daaaas muss ich wissen, wenn ich als Ver.di-Funktionär fünf Prozent mehr Geld will. Daaaas muss ich miteinberechnen, wenn ich einen Streik erfolgreich zu Ende bringen will. Es ist also das eine, wie Ver.di die hohen Erwartungen zu schüren. Wenn ich aber weit drunterliege, und das ist meine Prognose, dann ist das eben auch eine Niederlage.

    Liebe Grüße

    Thilo Knott

    - Ressortleiter Schwerpunkt -

    die tageszeitung

  • A
    Amos

    Der Arbeiter verzichtet und wird später trotzdem entlassen. Es geht nur um den Profit-, nicht um die Menschen. Warum sollte darum ein Arbeiter menschlich

    bleiben. Mit dem Geld was das Unternehmen an Lohnkosten einspart,

    kann es z.B. in Rumänien ein neues Werk errichten.

    Die Ausbeutung geht also trotz Lohnverzicht weiter.

    Natürlich will/muss ein Unternehmer Profit machen,aber man geht über Leichen und überlässt dem Staat die Konsequenzen. Seit unsere "Volksvertreter" sich an das

    Kapital verkauft haben, geht hier nichts mehr. Und die Gewerkschaften sind auch schon verdächtig.

  • H
    huelga

    Hallo,

    so hoch können doch die Zeilenhonorare für Thilos "knottern" gegen Lohnerhöhungen nicht sein?

    Normalerweise ist man solche Schreibe von gutbetuchten

    Wirtschaftsprofessoren gewohnt,deren Berufung sowas ist.

    Im öffentlichen Dienst müssen inzwischen Beschäftigte in "Subunternehmen" HartzIV zum Hungerlohn beziehen:

    Busfahrer,Müllmänner,Reinigungspersonal usw. in ausgelagerten Zweitunternehmen.

    Gerade um diesen Absturz zu bremsen ist ein Streik mehr als gerechtfertigt.

    huelga

  • MK
    maitol krczstovczc

    Was soll man zu diesem Kommentar sagen?

     

    Wenn es den Unternehmen gut geht, müssen sie sich konsolidieren->keine Lohnerhöhung

     

    Wenn die Unternehmen sich konsolidiert haben, müßen sie sich wappnen gegen Übernahmen->keine Lohnerhöhung

     

    Wurden die Unternehmen übernommen, müssen sie die Übernahmeschulden tilgen->keine Lohnerhöhung

     

    Wurden die Unternehmenschulden getilgt, gilt es die Rendite zu erhöhen, damit man sich hübsch macht für die nächste Übernahme->keine Lohnerhöhung

     

    Hat das Unternehmen sich aufgehübscht, muß für eine Krise vorgesorgt werden->keine Lohnerhöhung

     

    Kommt die Krise, muß das Unternehmen Geld sparen->achso, das hatten wir ja schon.

  • MK
    maitol krczstovczc

    Was soll man zu diesem Kommentar sagen?

     

    Wenn es den Unternehmen gut geht, müssen sie sich konsolidieren->keine Lohnerhöhung

     

    Wenn die Unternehmen sich konsolidiert haben, müßen sie sich wappnen gegen Übernahmen->keine Lohnerhöhung

     

    Wurden die Unternehmen übernommen, müssen sie die Übernahmeschulden tilgen->keine Lohnerhöhung

     

    Wurden die Unternehmenschulden getilgt, gilt es die Rendite zu erhöhen, damit man sich hübsch macht für die nächste Übernahme->keine Lohnerhöhung

     

    Hat das Unternehmen sich aufgehübscht, muß für eine Krise vorgesorgt werden->keine Lohnerhöhung

     

    Kommt die Krise, muß das Unternehmen Geld sparen->achso, das hatten wir ja schon.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Bei der Debatte sollte man mal vergleichen wieviel so ein IG-Metalarbeiter verdient und wieviel im öffentlichen Dienst verdient wird.

    Auberdem: Solidarität sieht anders aus. ...auch seitens der Medien.

  • AB
    Albrecht Buscher

    hat Thilo Knott die Forderungen von verdi und tarifunion überhaupt gelesen? wohl nicht, sonst hätte er so einen Unsinn nicht geschrieben, wesentliche Forderungen sind die Wiedereinführung von Altersteilzeit sowie die Übernahme der Auszubildenden, also gerechtere Verteilung von Arbeit und Einstieg ins Berufsleben, die Gehaltsforderung ist nur ein Baustein, aber soviel Differenzierung ist Hr. Knott schon zuviel, verdi-Schelte ist da einfacher.

  • E
    end.the.occupation

    >> Deshalb werden die Metaller am Ende in der Öffentlichkeit als die Vernünftigen dastehen - und die Verdianer als die Gierigen.

     

    Deshalb? Nein, vielmehr weil die staatstragenden Medien - die 'Effizienz-orientierten' Bankster-Retter, die Hartz4-Missbrauchsaufbauscher, Islam-Weltuntergangs-Prognostiker und 'verdi-Milieu'-Verächter - weil die das ganz genau so darstellen werden.

     

    >> Die IG Metall dagegen verhandelt zwar nicht mit dem Staat, aber die Metaller geben sich mit ihren Forderungen überaus staatstragend

     

    Genau. Die staatstragenden Gewerkschaften sind immer mit im Boot.

    Sie garantieren für ein geringes Bakshisch - für einen Aufsichtsratsposten o. dgl. - dafür, dass dieses Land weiterhin von Bankstern - Bilanzfälschern und Bankrotteuren, die dem Staat auf der Tasche liegen -, Steuerhinterziehungs-Gehilfen und Verächtern des 'verdi-Milieus' - Verächtern der Mehrheitsbevölkerung, von deren Arbeit sie leben - gelenkt werden kann.

     

    Vielen Dank liebe IG-Metall, dass ihr mithelft eben das Milieu an der Macht zu halten, dass nicht ruhen wird, bis dieses Land endgültig wie Haiti aussieht!

    Ich kann mir auch schon eure Forderungen im Jahr 2044 vorstellen "Lehmplätzchen für alle!".

     

    In der taz werden die 'verdi-Milieu'-Verächter - Verzeihung, Reformer wollte ich sagen - sich dann sicher ganz schrecklich über diesen Populismus ereifern. In den Bunkern, in denen die staatstragenden Medien dann zwangsläufig hergestellt werden müssen.

  • B
    berndrichard

    Alles "FAZ" oder was? Dieser Kommentar schneidet mir in Hirn und Herz. Behauptet hier noch jemand, die "taz" sei links?

  • US
    Uwe Sak

    Eine Gewerkschaft die nur Arbeitsplätze sichert braucht niemand. Das kann man schon damit erreichen, in dem man bereit ist, immer länger für immer weniger Geld zu arbeiten.

    Das die angesprochenen Streiks wegen mangelnder Zustimmung in der Öffentlichkeit gescheitert sind, ist eine pure Behauptung. Angesichts der

    Wirtschafts-Macht kann gegen jeden Streik Stimmung gemacht werden.

    Eiene Gewerkschaft, die sich vom Mob abhängig macht, in diesem Fall von Leuten die meinen, die Kindergärtnerinnen müßten für einen Minimallohn auf ihre Kinder aufpassen, die Busfahrer müßten sich billigst verkaufen usw. ist schon verloren.

    Es ist nun mal so, dass immer versucht wird Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gegen Arbeitnehmer in der "freien Wirtschaft" auszuspielen.

    Oder auch Abeitnehmer gegen Erwerbslose.

    Nein, der Streik ist richtig. Herr Knott's Warnungen an Verdi sind sicherlich gut gemeint, aber letztlich gefährlich. Selbst dann wen mal ein Streik "verloren" geht, kann eine Gewerkschaft nicht hasenpfotig handeln. Denn sonst verliert die Gewerkschaft nicht nur einen Streik, sondern ihre Existenzberechtigung.