die wahrheit: Neuronale Hollandschwäche

Ich saß zusammen mit Herrn K. beim Bier. Wie immer drehte sich unser Gespräch um Paulo Guerrero, den Stürmer-Joker des HSV. Zufälligerweise war der Peruaner ...

Verfolgt von der Flugangst: HSV-Spieler Paulo Guerrero. Bild: dpa

… gerade anderweitig ins Gerede gekommen, weil er sich seit Tagen vergeblich gequält hatte, in ein Flugzeug zurück nach Hamburg zu steigen. Seine Flugangst ließ ihn jedes Mal im letzten Augenblick wieder auf die Rollbahn springen. Menschen mit Flugangst sind mir aber sehr sympathisch, ich habe schon manch schweißnasse Hand in den Flugwind gehalten.

Leichtsinnigerweise erwähnte ich noch einen anderen Spieler, der wegen seiner Flugangst vor einigen Jahren sogar seinen Rücktritt aus der holländischen Nationalmannschaft erklärte, als er erfuhr, dass die Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea stattfinden sollte. Den Namen des Oranje-Stürmers hatte ich leider vergessen, er fiel mir einige Mal bereits nicht ein. Deshalb hatte ich ihn mir schon auf kleine Zettelchen notiert. Aber wo die jeweils landeten, entzog sich gleichfalls meiner Kenntnis.

Erstaunlich war nun, dass auch Herrn K. der Name nicht einfiel. Wir schienen beide an derselben rätselhaften Hirnschwäche zu leiden: dem Erinnerungsverlust holländischer Fußballernamen. Anfangs wehrten wir uns noch gegen die Symptome. Sogar die Vizeweltmeisterelf von 1974 konnten wir uns beinah zusammenreimen, kamen jedoch nur bis Cruyff und Neeskens. Auch René und Willy van de Kerkhof fielen uns noch ein. Aber die waren, da war sich Herr K. sicher, erst vier Jahre später gegen Argentinien voll dabei.

"Wenn man sich wenigstens darauf verlassen könnte, dass die alle mit ,van' anfangen", sagte ich, "wärs einfacher, so wie die anderen HSV-Spieler van Mistelzweig und van der Vorfahrt!" Doch ich wusste, dass unser gesuchter Flugangststürmer nicht Marco van Basteln …, Pardon - van Basten war. Herr K. wies zudem auf die physiognomischen Überlagerungen im Erscheinungsbild des Holländers an sich hin und zählte die bekannten Trainer auf, die allesamt bullig und apoplektisch wie westfriesische Rinderzüchter wirken: Louis van Gaal oder Guus Hiddink …

So rätselten wir den ganzen Abend und bekamen den Namen partout nicht heraus. Wir riefen auch nicht um Hilfe. Die Suche war zu einer Frage der Ehre geworden. Schließlich hieß die erste Liga der Niederlande Ehrendivision.

Das Problem lag eindeutig tiefer, in den neuronalen Verknüpfungen des Denkens. Alle naslang kann man in Wissenschaftsmagazinen im Fernsehen Leute mit Leitungen an der Birne sehen, die als Probanden "Die kleine Nachtmusik" pfeifen, während auf einem Monitor das musikalische Zentrum in ihrem Gehirn rot zu leuchten beginnt. Ich aber muss irgendwo im Hirn ein Zentrum für holländische Fußballernamen haben.

Sollte also zufälligerweise ein niederländischer Neurologe unter den Lesern sein, so stelle ich mich gern als Versuchskaninchen zur Verfügung. Und wenn mir dann der Name von dem van Dingsbums endlich einfällt, soll meine Holland-Zentrum orange strahlen wie sonst nur Louis van Gaal.

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kari

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