Umbesetzung: Reeder wollen mit Senator segeln

Mitten in der großen Krise der Schifffahrtsunternehmen verliert der Reeder-Verband seinen Hauptgeschäftsführer. Nachfolger soll Ralf Nagel werden, zuletzt glückloser Wirtschaftssenator in Bremen.

Hat demnächst andere Gesprächspartner: Ralf Nagel (M.), hier mit den Herren Wulff (l.) und Rösler. Bild: dpa

Bremens glückloser Wirtschaftssenator Ralf Nagel (SPD) soll neuer Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Reeder werden. In dieser Funktion soll er Hans-Heinrich Nöll ersetzen - und das schon ab kommenden Montag.

In den vergangenen Wochen war in Bremen öffentlich deutliche Kritik an Nagel geübt worden, war allerdings nach einem Machtwort von Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) wieder abgeklungen. Insofern kam die Mitteilung über Nagels Abgang dann doch wieder überraschend. Während die Bremer CDU davon sprach, der Schritt sei "überfällig", freute sich der grüne Koalitionspartner, dass die "Diskussion um die mangelnde Präsenz des Wirtschaftssenators jetzt beendet" sei und forderte die rasche Wahl eines Nachfolgers noch in diesem Monat.

Der 50-jährige Nagel war in der rot-grünen Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und hat aus dieser Zeit noch Drähte zum Reeder-Verband. Den Wechsel ins Bremer Wirtschaftsressort, das mehr die Kleinarbeit eines kommunalen Dezernenten erfordert als weltläufige und repräsentative Kontakte zu pflegen, hat ihm möglicherweise nicht so gelegen. Nach innen, gegenüber der Verwaltung, war Nagel weniger präsent als seine Vorgänger.

Seine Abwesenheit bei repräsentativen Terminen irritierte auch die Handelskammer. Ende Januar erklärte Nagel gegenüber der Bild-Zeitung, seine neue Freundin leide unter "burn out", er müsse sich um sie kümmern. "Ich wünsche Ralf Nagel und seiner Lebensgefährtin in Hamburg den positiven Neuanfang, den sie sich nach den Aufregungen der vergangenen Wochen wünschen": Mit diesem Satz spielte Bürgermeister Böhrnsen jetzt auf diese eher peinliche Geschichte an.

Die SPD hatte die Kritik an Nagel stets nur verhalten zurückgewiesen. "Es muss sich dringend was verbessern. Vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung", ließ sich der Bremerhavener Unterbezirksvorsitzende Siegfried Breuer vor zehn Tagen zitieren: "Ich befürchte, dass da noch einiges hochkommt." Nach den ungeschriebenen Gesetzen der Bremer SPD soll dem Senat immer ein Vertreter aus Bremerhaven angehören - als solcher galt Nagel, der dazu seinen Wohnsitz auch formal in Bremerhaven annehmen musste. Und so hat die Bremerhavener SPD nun auch bei der Neubesetzung des Postens ein gewichtiges Wort mitzureden. In der örtlichen Presse wurde Anfang Februar gar der Bremerhavener Oberbürgermeister Jörg Schulz als möglicher Nachfolger für Nagel ins Gespräch gebracht.

Der zukünftige Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Reeder hat seinen Wehrdienst bei der Bundesmarine absolviert.

Studiert hat der heute 50-Jährige in Heidelberg Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie. Nach einer Referententätigkeit wurde Nagel Staatssekretär in Sachsen-Anhalt, zuständig unter anderem für Transport und Verkehr.

2000 wurde er Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Nach dem Ende der Schröder-Regierung wechselte er in die Wirtschaft und wurde 2006 Vorstandsmitglied bei den Unternehmensberatern Putz & Partner.

Seit 2007 war er Senator für Wirtschaft und Justiz in Bremen.

Der Verband der Reeder teilte am Donnerstag mit, der seit 2003 amtierende Hauptgeschäftsführer Hans-Heinrich Nöll scheide "auf eigenen Wunsch" aus, um sich wieder seiner Arbeit als Anwalt zu widmen.

Der Verband der Reeder ist die Interessenvertretung der deutschen Seeschifffahrtsunternehmen, mithin eine Lobbyorganisation. Vorsitzender ist seit 2008 Michael Behrendt, ansonsten Vorstandschef der größten deutschen Containerreederei Hapag-Lloyd. Behrendt sprach jüngst von einer "historisch einmaligen" Krise der Weltwirtschaft: Das Jahr 2010 werde zum "Schicksalsjahr". Ohne Schifffahrt aber, so Behrendt weiter, "gibt es keine Fortsetzung der Globalisierung".

Die Würdigung der Verdienste des scheidenden Wirtschaftssenators fiel in Bremen eher knapp aus: Bürgermeister Böhrnsen fiel nur "die Umstrukturierung der Wirtschaftsförderung" ein - für die sich Nagel selbst weniger engagiert hat - sowie die "klare Positionierung Bremens in der Windenergiewirtschaft" - die es vor seiner Amtszeit auch schon gab.

Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Röwekamp sieht im Rücktritt des Senators "die notwendige Konsequenz aus persönlichen Fehlern und politischer Untätigkeit". Und der Bremerhavener FDP-Politiker Mark Ella meinte: "Für Bremerhaven war Nagel ein Totalausfall."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.