Berlinale ohne Stars: Wo sind die Berliner hin?

Einheimische Stars sind wichtig für die Bodenhaftung des Festivals. Berliner Schauspieler glänzen in den letzten Jahren aber eher auf Theaterbühnen als beim Lauf über den roten Teppich.

Die Knef nach der Landung in Tempelhof 1949 Bild: ap

Bei den ersten Berliner Filmfestspielen 1951 ließ sich die amerikanische Hitchcock-Darstellerin Joan Fontaine feiern. Doch der inoffizielle Star auf dem roten Teppich vor dem Titania-Palast war eine junge Berlinerin. Hildegard Knef war schön, 28 und der erste deutsche Nachkriegsstar. Mit "Die Mörder sind unter uns" wurde sie berühmt, durch den kurz vor der Berlinale angelaufenen Skandalfilm "Die Sünderin" mit einer kurzen Nacktszene berüchtigt. Berlin hatte seinen ersten eigenen Star.

1957 bestand das Traumpaar der Berlinale aus Romy Schneider und Horst "Hotte" Buchholz - immerhin er ein echter Neuköllner. Mit dem "deutschen James Dean" konnte sich auch das Berliner Volk identifizieren, das zu den Empfängen und Galas keinen Zutritt hatte.

"Einheimische" Prominente waren immer wichtig für die Bodenhaftung der Berlinale, sie verliehen dem Festival, das größtenteils mit Prominenz aus Hollywood glänzte, ein Stück Lokalkolorit. Und gaben dem Berliner von der Straße das Gefühl, auch irgendwie dazuzugehören.

Darum wird die Anwesenheit von Berliner SchauspielerInnen auf der Berlinale in der Stadt stets von überproportionaler Aufmerksamkeit begleitet. Und seit "Hottes" Abgang nach Amerika und seinem Tod wird jedes Jahr von der Klage begleitet: Wo bleiben die Stars aus der angeblichen Filmhauptstadt Berlin? Ist Daniel Brühl wirklich unsere Antwort auf Brad Pitt?

Man könnte behaupten, dass es seit der "Sünderin" und dem "Halbstarken" - sieht man von volkstümelnden Herz-und-Schnauze-Charakteren wie Günter Pfitzmann, Brigitte Mira und Harald Juhnke einmal ab - auf dem Roten Teppich keine Berliner "Gesichter" mehr gab. Das liegt aber in erster Linie daran, dass der "Filmstar" generell ein Auslaufmodell ist. Markt und Publikum haben sich ausdifferenziert: Til Schweiger mag mit seinen Einohrhasen und Zweiohrküken ein Publikumsrenner sein - für Kritiker und Fachpublikum ist er ein Nobody. Die Schauspieler Nina Hoss und David Kross sind Stars für die Freunde ambitionierter Filme - im Whos who des Massenglamour sind sie eher unbekannt.

Berliner Gesichter gibt es seit einigen Jahren auf der Berlinale zuhauf. Sie brillieren allerdings eher auf der Leinwand als auf den Fotografenlaufstegen. Oft sind es junge SchauspielerInnen, Neuentdeckungen, die noch am Anfang ihrer Karrieren stehen und mit kleineren Filmen im Wettbewerb antreten. Mal heißen sie Nina Hoss, mal Anna Maria Mühe, Karoline Herfurth oder Devid Striesow.

Jedes Jahr wird ein anderes Gesicht gefeiert. Die erhöhte Frequenz sagt aber nichts über die schauspielerische Qualität aus - im Gegenteil. Die Gesichter der letzten Berlinale-Jahre sind noch da: Sie spielen im Theater, in Filmen, im Fernsehen gute Rollen, statt durch Skandale und peinliche Auftritte ins Blitzlicht zu drängen. Für das Festival und die Filmstadt Berlin ist das ein gutes Zeichen. An Bodenhaftung und Lokalkolorit wird es trotzdem nicht mangeln. Dafür sorgen Gemütsdarsteller wie Horst Krause oder Berliner Pflanzen wie die Geschwister Ben und Meret Becker.

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Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.

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