Beliebte Fischdelikatesse: Das Geschäft mit dem Stint
Die Restaurants rund um die Elbe haben den Start der Stintsaison verkündet. Gar nicht einverstanden ist damit der "Vater des Stint-Fiebers", der Hoopter Fischer Wilhelm Grube.
Wenn rund um die Elbe die Stintsaison eingeläutet wird, dann reiben sich viele Menschen die Hände. Das Saisongeschäft mit dem 10 bis 15 Zentimeter langen Wechselfisch, der sowohl in Süß- als auch in Salzwasser überleben kann, ist eine gute Einnahmequelle. Fischer, Fischverkäufer, Restaurantbesitzer - alle verdienen zwischen Februar und März gut an dem Fisch. Doch in diesem Jahr nehmen nicht alle Stint-Akteure an dem bunten Treiben teil - noch nicht.
Einer, der noch nicht in Stint-Stimmung ist, ist der Hoopter Fischer Wilhelm Grube. Ihm blieb es in den vergangenen Jahren vorbehalten, die Ankunft des Stints in Hoopte und damit den Beginn der Stintsaison zu vermelden. In diversen Zeitungsartikeln durfte der von der Presse als "Vater des Stint-Fiebers" gefeierte Grube Jahr für Jahr seinen ersten Stint-Fang präsentieren. Doch davon ist er weit entfernt. "Frühestens in zehn Tagen wird der Stint hier in der Oberelbe ankommen", sagt der 54-Jährige. Grube ärgert sich über die Restaurants, die den kleinen, nach Salatgurke riechenden Stint bereits jetzt anbieten - und die Delikatesse von Fischern aus Cuxhaven beziehen, wo der Stint natürlicher Weise früher ankommt.
Mittlerweile geht es beim Stint um viel Geld. "Herr Grube hat den Fisch durch gutes Marketing zur Delikatesse stilisiert", sagt Thomas Gaumert von der Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Elbe (Arge Elbe). Früher galt der Fisch als "Arme-Leute-Essen", doch heute sind die Restaurants gerammelt voll, wenn zum "Stint-Satt" geladen wird. Und wo ein einträgliches Geschäft ist, da geht es auch immer darum, noch mehr zu verdienen.
In diesem Jahr verschiebt sich die Ankunft des Stints in der Oberelbe durch den harten Winter bis in den März. "Das Wasser muss eine bestimmte Temperatur haben, bevor die Tiere zum Ablaichen in Hamburg ankommen", sagt Fischerei-Biologe Heinz Peper vom Naturschutzbund Hamburg. Die Restaurants versorgen sich mit Fisch aus Cuxhaven, um die Saison trotzdem im Februar beginnen lassen zu können.
Dies führt jedoch zu Differenzen. "Es gibt zwischen den Fischern einen regelrechten Streit um die Qualität der Stinte", sagt Gaumert. Die Transportwege des Fisches aus Cuxhaven nach Hamburg seien zu lang, sagen die einen, der Fisch aus der Oberelbe sei nach dem Ablaichen ausgemergelt und nicht mehr schmackhaft, die anderen.
Ganz am Ende der Geschmackskette, da sind sich alle einig, steht der Fisch aus der Tiefkühltruhe. "Es gab Versuche, die Saison künstlich durch Importware zu verlängern", sagt Gaumert, "doch die Zeiten sind vorbei". Das sieht Fischer Grube anders: "Viele nehmen auch heute noch ,Hardware', also Fisch aus der Tiefkühltruhe", sagt er. Die Restaurants bestreiten das.
Grube hat über das Ausmaß des Boom längst keine Kontrolle mehr. Vieles hat sich seit dem Aufkommen der Stint-Hysterie geändert, man könnte auch sagen, dass viel Wasser die Elbe hinuntergeflossen ist. Die SPD regiert nicht mehr in Hamburg, der HSV spielt nicht mehr im Volksparkstadion - und Fischer Wilhelm Grube ist nicht mehr Herr über das Stint-Fieber.
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