Medizinethiker zu Mensch-Tier-Mischwesen: Die Züchtung der Menschenwürde
Erbgut von Mensch und Tier wird immer häufiger gekreuzt. Der Wiener Medizinethiker Matthias Beck warnt vor gentechnisch erzeugten Mischwesen.
taz: Herr Beck, der Deutsche Ethikrat diskutiert zurzeit Chancen und Risiken gentechnisch erzeugter Mischwesen aus Mensch und Tier. Warum?
Matthias Beck: Weil das in der Forschung schon seit einigen Jahren gemacht wird, die Koreaner haben 2006 damit angefangen. Ganz aktuell ist das Thema, seit die Engländer dazu im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet haben, das deren Herstellung für die Forschung erlaubt.
Wie muss man sich denn solche Mischwesen vorstellen?
53, ist promovierter Arzt und promovierter Theologe. Er habilierte sich mit dem Thema "Mensch-Tier-Wesen und andere alternative Quellen für pluripotente Stammzellen". Seit 2007 ist er Professor für Moraltheologie mit Schwerpunkt Medizinethik an der Universität Wien. Beck nahm auch als Experte an einer Anhörung des Deutschen Ethikrats zur Debatte über gentechnisch erzeugte Mischwesen aus Mensch und Tier teil.
Da gibt es im Wesentlichen zwei Formen. Das Erste sind Lebewesen mit einem gemischten Erbgut in jeder einzelnen Zelle. Man spricht dann von Hybriden. Das, was die Engländer jetzt zugelassen haben, ist ein Spezialfall davon, den man "Cybrids" nennt: In eine entkernte Eizelle einer Kuh oder eines Kaninchens wird ein menschlicher Zellkern implantiert. Man erhält dann ein Lebewesen, bei dem etwa 0,1 Prozent des Erbguts von einem Tier stammen und 99,9 Prozent von einem Menschen. Das Zweite sind die sogenannten Chimären: Lebewesen, bei denen manche Zellen oder Organe von einem Tier stammen und andere von einem Menschen.
Das klingt ein wenig nach Science-Fiction. Aber beide Varianten können bereits hergestellt werden?
Im Falle von Chimären machen wir das ja schon lange: etwa bei der Transplantation einer Herzklappe, die aus einem Schwein stammt. Das sehe ich ethisch allerdings nicht als großes Problem. Schwieriger ist es, wenn man Tierzellen in einen menschlichen Embyro in einem sehr früheren Stadium transplantieren würde. Dann würde sich das nicht auf einzelne Organe beschränken: Der Embryo wäre durchsetzt mit tierischen Zellen. Im Tierversuch hat man so was schon gemacht, Schafembyronen wurden beispielsweise Menschenzellen implantiert.
Sie halten so eine Durchmischung für problematisch?
Ja. Was wäre denn etwa, wenn man einem Affenembryo im zweiten oder dritten Monat - also wenn das Hirn bereits vorhanden ist - gezielt bestimmte Hirnzellen vom Menschen einspritzen würde? In den Achtzigern hat man Wachtelzellen in Hühnerembryonen implantiert. Die geschlüpften Hühner zeigten dann Kopfnickbewegungen und Laute, wie sie für Wachteln typisch sind. Es wurden also Eigenschaften transferiert.
Die "Cybrid"-Mischwesen dürfen in England zu Forschungszwecken hergestellt werden. Spricht etwas dagegen, das auch in Deutschland zu erlauben?
Bisherige Versuche legen den Schluss nahe, dass "Cybrids" vermutlich maximal 14 Tage leben können. Es handelt sich dabei aber meiner Meinung nach um einen menschlichen Embryo, der schwer beschädigt ist und ein Ablaufdatum hat. Er ist in seiner Ausreifung behindert.
Was ist ethisch problematischer: einem Menschen tierische Eigenschaften zu verleihen oder einem Tier menschliche?
Das sind zwei verschiedene Probleme. Wir machen in unserer westlichen, christlichen Tradition ja sowohl philosophisch, theologisch als auch juristisch einen Unterschied zwischen Mensch und Tier. Wenn man Menschenzellen in Mäuse einpflanzt, halte ich das ethisch für nicht so bedeutsam. Umgekehrt einem Menschen tierische Zellen zu implantieren halte ich für deutlich problematischer.
Das schließt menschliche Embryonen mit ein?
Sobald Samen und Eizelle verschmelzen, existiert menschliches Leben. Und diesem Menschen kommt Würde zu: Ein Embryo darf nur hergestellt werden, damit daraus ein Mensch wird. Würde man etwa Embryonen aus Mensch und Affe für die Forschung erzeugen, würden diese ja grade nicht zur Ausreifung kommen. In der Philosophie spricht man dann von einer "Totalverzweckung" des Embyros.
Menschen und Affen können in der Natur keine gemeinsamen Nachkommen bekommen. Sollte man solche Grenzüberschreitungen im Labor verbieten?
Ich würde es nicht grundsätzlich ablehnen, eine Herzklappe oder vielleicht ein Gen in einen Menschen zu implantieren - nur weil es aus einem Tier kommt. Sagen wir, wir könnten Morbus Parkinson behandeln, indem wir dem Patienten ein tierisches Gen implantieren. Dann täte ich mich schwer, ethisch dagegen etwas einzuwenden. Anders sehe ich das, wenn ein eingebrachtes tierisches Gen eine Eigenschaft so verändert, dass sie dem Mensch nicht mehr entspricht.
Wo würden Sie denn da eine Trennlinie ziehen?
Der letzte ethische Grund ist für mich, ob das Einbringen eines tierischen Gens dem Menschen nutzt oder schadet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuwahlen
Beunruhigende Aussichten
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Grünen-Parteitag in Wiesbaden
Grüne wählen neue Arbeiterführer