Baugeschichte Europa-Center: Am Ende bleibt die Retro-Eleganz

Vom "Berliner Rockefeller Center" spricht heute längst niemand mehr - völlig zu Recht. Der Bau hat sein eigenes Image.

Wahrzeichen in der City-West. Europa-Center mit Daimler-Stern Bild: ap

"Jaja, die Gemeinsamkeiten mit dem Rockefeller Center", lacht Uwe Timm. "Das ist doch eine Konstruktion." Der Center-Manager versucht es erneut: Vielleicht bestehe die Gemeinsamkeit zwischen dem Europa-Center am Breitscheidplatz und dem New Yorker Gebäudekomplex in ihrem "hohen Bekanntheitsgrad", sagt er. Aber mehr Gleiches "ist nicht, braucht es auch nicht".

Dass es 45 Jahre gedauert hat, um die Mythen-, ja Legendenbildung vom "Berliner Rockefeller Center" ganz nüchtern abzuschütteln, wie Timm es tut, zeugt endlich von selbstbewusster Corporate Identity. "Wir sind authentische 45 Jahre", sagt Timm dazu. "Wir sind das Berliner Bürohochhaus nebst Shopping-Center, etwas in die Jahre gekommen, aber das Wahrzeichen der City West". Das Bild vom Hochhaus mit dem sich drehenden Mercedes-Stern auf dem Dach "kennt auf der Welt doch fast jeder."

Als das "Wahrzeichen" 1965 gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche vom damaligen Regierenden Bürgermeister Willy Brandt eröffnet wurde, musste es noch als New Yorker Zitat herhalten. Die geteilte Stadt brauchte die architektonischen Pathosformeln aus der "freien Welt" für seine Neubauten. Sie waren Symbole für Modernität, die amerikanische Freundschaft und den Lebenswillen West-Berlins sowie Zeichen ideologischer Abgrenzung gegenüber dem Osten.

Richtig ist, dass der Bauherr Karl Heinz Pepper die Architekten Hentrich und Petschnigg damit beauftragte, ein funktionales Büro- und Einkaufsareal nach amerikanischem Vorbild zu planen. Es sollte zur schicken Nachkriegsmoderne am Breitscheidplatz aus Bikinihaus und Zentrum am Zoo passen.

New York indessen assoziierte das Bauwerk kaum. Allein die Dimension des im Art-Déco-Stil ab 1931 erbauten Rockefeller Centers aus 21 Hochhäusern, mit Läden, Kulturinstitutionen oder Firmensitzen einiger global player wie General Electric über drei ganze Straßenblocks sprengte jeden Vergleich mit Berlin. Am Breitscheidplatz entstand dagegen ein ganz außergewöhnliches, kompaktes Gebäudeensemble von 80.000 Quadratmetern Gesamtfläche mit vier unterschiedlichen Baukörpern in hoher architektonischer Qualität: ein 100 Meter hohes, 21-geschossiges Bürohochhaus mit Glas-Aluminiumfassade, der Sockelbau mit Basement für Läden und Restaurants, ein Kinopalast sowie das Apartmenthaus. Wo heute "Tiffanys" Frühstück anbietet, befand sich in einem offenen Atrium bis 1979 eine Kunsteisbahn. Und wo heute der "Wasserklops" plätschert, zerschnitt 1965 noch eine Straße den Breitscheidplatz.

Hätte man damals wie noch lange danach genauer hingeguckt, die Architektur des Hauses wäre weniger bei Rockefellers Art-Déco als vielmehr bei den Lehrern des Bauhauses besser aufgehoben gewesen. Mehr noch: Hentrich und Petschnigg erweiterten die geometrischen, glatten, supermodernen Hochhausentwürfe von Mies van der Rohe oder Walter Gropius ins Urbane - als Stadt in der Stadt.

Die Suburbanisierungseffekte und der gleichzeitige Aufbau der neu-alten Berliner Mitte nach dem Mauerfall brachten Anfang der 90er-Jahre und ab 2000 erneut das Europa-Center - wie die gesamte City West - in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Das Royal-Kino wurde abgerissen, Läden standen leer, ebenso Teile des Towers. Das Europa-Center hatte den Charme muffiger B-Ebenen unter Bahnhofsvorplätzen.

Umbauten und Investitionen in Höhe von 30 Millionen Euro steigerten aber nach 2002 wieder die Attraktivität und den kommerziellen Erfolg des Hauses. Leerstand gibt es, aber wenig, sagt Uwe Timm. Die etwa 100 Ladengeschäfte und gastronomischen Betriebe ziehen täglich zwischen 20.000 und 40.000 Besucher an. In der "Shopping-Night" hat Timm sogar Berliner Rekordzahlen parat: 250.000 Besucher.

Timm sieht die Architektur und Funktion des Europa-Centers heute "natürlich baulich ganz anders als die neu entstandenen Shoppingmalls. Man sei eben 45 Jahre alt, habe aber "Retro-Eleganz" und ziehe wieder "das breite Berliner Publikum" an - wie einst. Sprich: Be Berlin, "wir sind authentisch".

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