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Präsidentschaftswahlen in KolumbienGrüner Kandidat im Aufwind

Die Sensation des Präsidentschaftswahlkampfes ist Bogotás Exbürgermeister Antanas Mockus. Umfragen zufolge gebührt ihm der zweite Platz.

Antanas Mockus von der Grünen Partei hat viele Fürsprecher in Kolumbien. Bild: ap

BOGOTÁ/KOLUMBIEN taz | "Der Präsidentenpalast ist zum Greifen nahe", ruft Bogotás früherer Bürgermeister Antanas Mockus auf einer Wahlkampfbühne auf der zentralen Plaza Bolívar und deutet zur Seite. "Antanas - Präsident in der ersten Runde!", schallt es tausendfach zurück. Am 30. Mai wird in Kolumbien ein neuer Präsident gewählt, mit Stichwahl am 20. Juni, wenn nötig.

Die meist jugendlichen Anhänger des 57-jährigen Mathematikers und Philosophen mit dem angegrauten Kinnbart sind zu Fuß oder auf dem Fahrrad gekommen. Grüne Luftballons schweben über der Menge. "Für mich ist Mockus der Wandel", sagt der 18-jährige Schüler Julián Cantor im grünen T-Shirt mit Sonnenblume, "wir müssen unsere altmodische Politkultur überwinden. Ich habe genug vom Krieg und von der Guerilla."

Der Auftritt in Bogotá war die Krönung einer bewegten Woche für Mockus und seine Mitstreiter von der Grünen Partei, die gerade ein halbes Jahr alt ist. Auch in zehn weiteren Städten hatten die AktivistInnen von Kolumbiens Facebook-Generation am Sonntag unter dem Motto "Vervielfältigen wir uns" zur "grünen Welle" aufgerufen.

Zu jenem Zeitpunkt sprachen Beobachter bereits von einem Schneeballeffekt: Nachdem Mockus seinen Konkurrenten Sergio Fajardo aus Medellín als Vizekandidaten gewonnen hatte, auch er Mathematiker, "Unabhängiger" und erfolgreicher Exbürgermeister, schnellte das Gespann in den Umfragen mit rund 25 Prozent auf Platz zwei.

Auch dass regierungsnahe Radio- und Fernsehstationen am Freitag thematisierten, dass Mockus an der Parkinson-Krankheit im Frühstadium leidet, ging offenbar ins Leere. "Zittern tun die andern!", twitterte es munter aus dem Mockus-Team in Anspielung auf seine konservativen Rivalen.

Sieben Wochen sind es noch bis zur Wahl. Und noch spricht vieles dafür, dass Juan Manuel Santos, der ehemalige Kriegsminister des scheidenden Präsidenten Álvaro Uribe, dessen rechtsautoritäres Projekt fortsetzen kann. "Santos ist der Favorit", sagt auch der 2006 unterlegene Linkskandidat Carlos Gaviria, "er hat zwar nicht Uribes Charisma, aber dafür die noch größere Unterstützung der mächtigen Familien Kolumbiens, denn er ist einer ihrer Lieblingssöhne. Leider wird unser Land noch lange im Krieg leben."

Richtig ist aber auch: Seit das Verfassungsgericht im Februar die erneute Wiederwahl Uribes untersagt hat, ist Kolumbiens Politestablishment zutiefst verunsichert. In den Vorwahlen wurde deutlich, wie gespalten die Konservativen sind. Exaußenministerin Noemí Sanín aus Uribes Regierungskoalition setzte sich knapp durch, kann nun aber nicht einmal auf den Rückhalt ihres parteiintern unterlegenen Widersachers zählen und wurde in den Umfragen von Mockus überrundet.

Noch trister sieht es für Gustavo Petro vom ebenfalls tief gespaltenen linken Alternativen Demokratischen Pol aus. Selbst Petro, der sich als Aufklärer der Verbindungen Uribes zu den Paramilitärs einen Namen gemacht hatte, stehe inzwischen hinter Uribes Antiguerillakurs, bedauert sein Parteikollege Carlos Gaviria.

"Einigkeit macht stark", skandieren hingegen die Mockus-Fans auf der Plaza Bolívar. Bereits die grünen Vorwahlen waren eine ungewohnte Demonstration gepflegter Streitkultur, nun beteiligen sich die unterlegenen Kontrahenten in vorderster Front am Wahlkampf.

"Mockus größter Trumpf ist seine Ehrlichkeit", sagt der Hotelier Germán Escobar. "Welcher Politiker sagt schon vor den Wahlen, dass er Steuern erhöhen will?" Auch schätzt er den pädagogischen Ansatz des Kandidaten, mit dem er die Hauptstadt "zivilisiert" habe. Mit diesen Pfunden wollen Mockus und Fajardo wuchern.

"Bildung und Bürgerkultur werden der Motor zum Aufbau eines Landes sein, in dem die Rechte der anderen respektiert werden", heißt es im Wahlprogramm. Die Hauptprobleme Kolumbiens seien "Illegalität, Gewalt, Ungleichheit und Korruption". Damit treffen sie ziemlich genau die Befindlichkeit. Die "Verteidigung der Umwelt und der Artenvielfalt" erscheinen da eher zweitrangig.

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7 Kommentare

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  • M
    Marcela

    Wunder geschehen!! Auch in Kolumbien...Wir hoffen, kommt keiner auf die Idee, Mockus vor oder nach den Wahlen zu attackieren, oder zu töten, sowie bei Galán ( der auch gegen Korruption, Drogenmacht, alte Politik), 1989, passiert ist...

  • WL
    Wagner Love

    Schade, dass der Artikel eine so eindeutige pro-Mockus Position einnimmt, ohne beispielsweise zu erwähnen, dass Mockus bei vorangegangenen Wahlen zusammen mit der im Artikel genannten konservativen Präsidentschaftskandidatin Noemi Sanin angetreten ist. Schade, dass er nicht darauf eingeht, dass bei Mockus, wie bei den anderen Kandidaten auch, von einen ausführlichen Programm keine Rede sein kann. Die etablierten Parteien setzen mehr oder weniger weiter auf die Politik der demokratischen Sicherheit, Mockus erstrebt einen Paradigmenwechsel in der politischen Kultur, den er aber bisher nicht genauer ausgeführt hat. Die Wirtschaftskrise und die Angst um den Verlust von Arbeitsplätzen sind Themen, die laut Umfragen die Kolumbianer zur Zeit mehr besorgen als der bewaffnete Konflikt im Land. Im Wahlkampf spricht aber niemand davon, und die taz leider auch nicht. Somit reiht sich dieser Artikel in die allgemeine Mockus-Hysterie mit ein, die in Kolumbien in erster Linie ein urbanes Phänomen der oberen Mittel- und Oberschicht ist, was der Artikel auch nicht erwähnt. Kurz gesagt, so ein Bericht gehört eher in das Parteiblatt der Grünen, als in eine tageszeitung.

  • SL
    Saul Lozano

    Mockus und Fajardo stellen eine einmalige Chance für Kolumbien. Die Art und Weise wie sie Politik verstehen und betreiben ist einfach überwältigend. In einem Land, wo die Regierenden i.d.R nur von einem Drittel der Wahlberechtigten gewählt werden, sind es die Menschen an so viel Transparenz und Ehrlichkeit nicht gewöhnt. Das könnte eine historische Wende bedeuten.

  • O
    Omar

    Por honestidad, educación y desarrollo Vote por Mockus. Viva Mockus !!!!

  • B
    Bimsbart

    ah, da ist er ja. Der von mir sehnsüchtig gewünschte Artikel. Vielen Dank, liebe taz.

  • TW
    true west

    Aendern kann sich nichts - Southcom besteht auf die "Western Hemisphere Security Alliance"... Etwas "gruen" ist aber gut zu "Verschoenerung"... Im Nachbarland Brasilien aber ist "gruen", mit Neo-Superman "Avatar" nicht nur zu "Verschoenerung" sondern zur "full spectrum dominance"...

  • UH
    Udo Henn

    Sehr guter Artikel. Ich finde, dass Mockus ein besserer Nachfolger Uribes als Santos waere, da er nicht nur, wie auch dieser, vernuenftige, realistische Ansichten zu den fundamentalen Problemen des Landes vertritt, sondern weil er als absolut integer, korruptionsfeindlich und frei von aussenpolitischen Altlasten gelten kann.