Energie: Experiment in der Nordsee
Die ökologischen Folgen von Windparks auf hoher See müssen noch erforscht werden. Bisher gibt es nur wenige Ergebnisse - aber viele offene Fragen und methodische Probleme. Offshore-Basis in Bremerhaven geplant.
Die Anlage ist gewaltig - das Loch ist es auch: Bis zu sechs Meter tief hat das Meer den Boden unter den "Multibrid"-Windkraftanlagen der Firma Prokon in der Nordsee ausgespült. Dieses "Auskolken" am Fuß des 160 Meter hohen Windrades kann dessen Stabilität bedrohen. Die Teilnehmer eines Hamburger Workshops über die ökologischen Begleituntersuchungen zum deutschen Testfeld für Windparks auf hoher See zeigten sich am Montag überrascht über diesen starken Effekt. Die Forscher haben auch festgestellt, dass sich das Sediment in einem 50-Meter-Kreis um die Anlagen herum gelockert hat.
Das Testfeld "Alpha Ventus" 45 Kilometer nördlich der Insel Borkum mit zwölf Windkraftanlagen der Fünf-Megawatt-Klasse ist vor knapp zwei Wochen ans Netz gegangen und dürfte damit die Ära des Windstroms in der deutschen Bucht eingeläutet haben. An dem Testfeld soll untersucht werden, wie "Offshore"-Windparks die Meeresumwelt gefährden könnten.
Bei der vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) organisierten Tagung in Hamburg wurden erste Ergebnisse und Verfahren dieser Begleitforschung vorgestellt. Davon bezieht sich ein großer Teil auf Voruntersuchungen und die Bauphase. Seit Mitte November, als die letzte der zwölf Windkraftanlagen ins Meer gesetzt wurde, können die Forscher auch beobachten, wie sich der Betrieb des Windparks auf die Umwelt auswirkt.
Offshore-Windparks sollen wesentlich dazu beitragen, Deutschland von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen.
Vorteile: Auf dem Meer weht der Wind häufiger und stärker als auf dem Land. Das bringt einen höheren Energieertrag.
Nachteile: Um das Wattenmeer und die Aussicht der Nordseeinseln zu schonen, sollen die deutschen Offshore-Windparks viele Dutzend Kilometer weit draußen im Meer gebaut werden. Das macht den Bau aufwändig. Außerdem sind die Bedingungen dort draußen besonders rau.
Alpha Ventus ist ein Test-Windpark mehrerer Firmen. Er ging vor zwei Wochen ans Netz und ist der erste seiner Art.
Die Multibrid-Anlagen stehen auf Dreibeinen, in deren Zentrum der Turm des Windrades aufragt. Die Dreibeine ruhen unter Wasser auf jeweils drei 35 bis 40 Meter langen Pfählen im Meeresgrund. Mit fest installierten Echoloten verfolgte das BSH, wie sehr der Meeresboden um diese "Tripods" herum ausgewaschen wurde: Unter dem Turm waren es bis zu sechs Meter, wie Maria Lambers-Huesman vom BSH sagte. An den Pfählen direkt bis zu drei Meter.
Neben den sechs Multibrid-Anlagen stehen sechs Windräder der Firma Repower in Alpha Ventus. Sie ruhen auf "Jackets", Konstruktionen, die Strommasten ähneln. Um deren vier Pfähle herum sei der Boden bis zu 4,5 Meter tief ausgewaschen worden. Ob sich das durch einem Sturm noch verstärken würde, sei offen. "Die Sicherheitsmargen sollten nicht angegriffen werden", empfahl Lambers-Huesmann mit Blick auf die Rammtiefe, mit der die Pfähle verankert werden.
Wie schwierig es ist, die Wirkung der Windparks auf den Vogelzug zu ermitteln, erläuterte Timothy Coppack vom Institut für angewandte Ökologie. Die Vögel seien unter den Wirbeltieren mit ungewöhnlich vielen Arten vertreten, sagte er. Alleine auf der Insel Helgoland seien 420 Arten festgestellt worden - viele von ihnen so klein, dass sie schwer zu bemerken und noch schwerer zu taxieren seien. Neben dem Beobachten mit dem Auge experimentieren die BiologInnen daher mit ausgefuchster Radartechnik. "Wir werden mehrere Jahre lang messen müssen, um sagen zu können, ob sich die Vogeldichten innerhalb und außerhalb des Testfeldes unterscheiden", sagte Coppack.
Unterdessen wird es auf dem Meer eng. Am ersten kommerziellen Windpark in der deutschen Nordsee wird gebaut, viele andere sind vom BSH genehmigt worden. Und an der Küste schießen Fabriken aus dem Boden, in denen Teile von Windrädern gebaut und montiert werden.
Ebenfalls am Montag haben der Terminalbetreiber Eurogate und das Windenergieunternehmen RWE Innogy vereinbart, einen Teil des Containerterminals Bremerhaven zum Montage- und Umschlagplatz für Offshore-Windkraftanlagen umzuwidmen. RWE werde auf der 17 Hektar großen Fläche von Mitte 2011 an zunächst 48 Windturbinen vormontieren und zu einem Windpark 35 Kilometer nördlich von Helgoland bringen lassen, sagte der Geschäftsführer von RWE Innogy, Fritz Vahrenholt.
Eurogate vermietet die Terminalfläche für zunächst zwei Jahre. In der Zwischenzeit wird in Bremerhaven ein neuer Spezialhafen geplant. Das Areal am Südende des Containerterminals biete nicht nur genügend Platz, sondern stünde auch exklusiv für sein Unternehmen zur Verfügung, sagte Vahrenholt.
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