Folgen der Steuerschätzung: Abgerechnet wird vorab

Haushaltssperre, Nachtragshaushalt: Aufs Mai-Gutachten der Steuerexperten folgen Notprogramme. Den Fehlbetrag ausgleichen kann Bremen nicht.

Bremen muss jetzt wieder betteln gehen. Bild: Archiv

Knapp ein Jahr, bevor Bremen ihn richtig betritt, ist der Sanierungspfad bereits Makulatur. So lässt sich das Ergebnis der Steuerschätzung zusammenfassen. "Das wirft die ohnehin extrem enge Haushaltsplanung über den Haufen", erklärte Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel der taz. Und in der Tat: Zwar betonte Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) gestern, sie halte fest an der "Aufgabe, unser strukturelles Defizit von einer Milliarde Euro in zehn Schritten abzubauen". Zugleich musste sie jedoch eine Haushaltssperre verkünden. Die hatte der Senat kurz zuvor in Reaktion aufs Mai-Gutachten der Steuersachverständigen beschlossen.

Im Vergleich zu deren November-Schätzung "fehlen etwa 84 Millionen Euro", so die Bürgermeisterin. Da zudem die Gewinne der BLG sinken und Mehrausgaben bei Sozialleistungen anstehen, wachse die Belastung gegenüber dem beschlossenen Haushalt 2010 wohl um deutlich mehr als 100 Millionen Euro. Sprich: Das Zahlenwerk bekommt schon jetzt eine neue Auflage. Und: Was Bremen spart, ist schon vorab verbrannt. Was erst recht für 2011 gilt: Dann sollen die Einnahmen sogar 163 Millionen Euro niedriger liegen, als noch im November geschätzt. "Die Schuldenbremse", so Hickel, "wird nicht einhaltbar sein."

Allerdings nicht nur in Bremen: Auch in Niedersachsen und im reichen Süden stünden die Kommunen vor demselben Problem, so der Finanzwissenschaftler. Da bahne sich Protest an, dem Bremen sich anschließen sollte."Taktisch unklug wäre es, jetzt vorzupreschen."

Da war schließlich noch was: Dass Bremen jährlich 300 Millionen Euro Beihilfe zur Konsolidierung erhalten soll, hatte auch Neid geerntet. Voraussetzung ist, dass das Kleinstland seinstrukturelles Haushaltsdefizit jeweils um 100 Millionen Euro senkt. Der ehrgeizige Sparplan war aber von steigenden Einnahmen ausgegangen. Schon im Januar hatte Linnert gewarnt, die Steuersenkungs-Pläne der Bundesregierung würden "die Geschäftsgrundlage zerstören". Nun sind die zwar gebannt, und laut Gutachtern steigen Lohn- und Einkommenssteuereinnahmen sogar. Doch schon das so genannte "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" hat gut ein Viertel der Mindereinnahmen verursacht.

Hinzu kommt der Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen infolge der Wirtschaftskrise. Und Bremen muss drastische 63 Millionen Euro an den Länderfinanzausgleich zurück geben. Der wird nämlich vorab ausgezahlt - und jetzt gehts den anderen halt auch nimmer so super.

"Solche Summen", so Hickels Einschätzung, "lassen sich nicht mit dem Messer aus dem Bremer Haushalt schneiden." Zwar, der Sparkurs sollte nicht verlassen werden. Ebensowenig aber dürfe Bremen so tun "als könne es das jetzt auch noch aus eigener Kraft meistern". Tatsächlich verschärft sich das Dilemma der Haushaltspolitik. Eine schroffe Absage erteilte Linnert gestern "wohlfeilen Vorschlägen", durch Verkäufe etwa der Wohnungsbaugesellschaft die Einnahmen zu steigern. Für falsch erklärte sie zudem Gedankenspiele, Institutionen wie das Theater zu schließen - wie es Wuppertal tut und Essen als Schlussakkord fürs Kulturhauptstadtjahr plant.

Zugleich warnte sie, den Sparkurs aufzugeben: Natürlich hätten die Pessimisten immer Recht, "denn am Ende liegen wir alle in der Kiste". Doch "das Signal: ,wir wollen uns gar nicht anstrengen - das kann die Haltung des Senats nicht sein".

Ein Schlag gegen Die Linke: Deren Haushaltsexperte, Klaus-Rainer Rupp hatte den Sanierungskurs schon bei den Haushaltsberatungen kritisiert. Die neuen Zahlen verdeutlichen aus seiner Sicht "die Absurdität dieser ganzen Übung verdeutlichen". Nötig sei "ein Rettungsschirm für Kommunen und Länder", so Rupp. Der Sparzwang hingegen mache letztlich "so etwas wie Demokratie gegenstandslos": Im Parlament werde schon jetzt oft ohne die Möglichkeit, zu gestalten, debattiert. Denn fürs Gestalten, so Rupp, "fehlen finanzielle Spielräume".

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