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Kommentar Gnadengesuch von HogefeldVerpasster Schlussstrich

Kommentar von Wolfgang Gast

Köhler hat das Gnadengesuch der letzten RAF-Inhaftierten abgelehnt. Damit gab er dem medialen Druck nach. Öffentliche Erregung darf aber kein Entscheidungskriterium sein.

B undespräsident Horst Köhler hat eine historische Chance verpasst. Mit der Begnadigung von Birgit Hogefeld, der letzten Inhaftierten aus den Reihen der "Roten Armee Fraktion", hätte er als der Mann in die Geschichtsbücher eingehen können, der den endgültigen Schlussstrich unter das traumatische Kapitel des deutschen Terrorismus gezogen hat. Und er hätte es billig haben können, schließlich befindet sich Hogefeld seit geraumer Zeit im offenen Vollzug, ihre Haftentlassung steht im Juni des kommenden Jahres ohnehin an. Eine Gefahr geht von Birgit Hogefeld schon lange nicht mehr aus.

Zur Erinnerung: Es liegt nunmehr zwölf Jahre zurück, dass sich die RAF offiziell aufgelöst und ihren bewaffneten Kampf für gescheitert erklärt hat. In ihrem Prozess vor dem Frankfurter Oberlandesgericht hat sich Hogefeld ausdrücklich zu diesem Scheitern bekannt. Seit Herbst 2007 liegt ihr Gnadengesuch beim Bundespräsidialamt zur Entscheidung. Im Schatten der heftig umstrittenen Haftentlassung des früheren RAF-Mitgliedes Christian Klar (er wurde nicht begnadigt) hatte Köhler die Causa Hogefeld erst einmal vertagt und eine erneute Prüfung zu gegebener Zeit zugesagt. Dass diese nun negativ ausfällt, ist weniger der Person Hogefeld, sondern vielmehr dem medialen Druck geschuldet, der das Thema RAF begleitet. Hogefeld wird der "dritten Generation" der RAF zugerechnet, und deren Anschläge und Morde sind bis heute im Kern nicht aufgeklärt. Welches Echo eine Begnadigung ausgelöst hätte, lässt die Debatte um die Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback erahnen.

Über ein Gnadengesuch entscheidet aber nicht die öffentliche Erregung, die dem Votum folgen könnte. Aber auch das weiß Horst Köhler.

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12 Kommentare

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  • H
    Henning

    Ja, Herr Pilatus,

    Wer bereut, dem sollte Gnade entgegengebracht werden! Doch Hogefeld bereut ja nichts! Sie akzeptiert nur ihre Niederlage ...

     

    Gibt es eigentlich etwas erbärmlicheres, als den Staat um Freiheit anzubetteln, den man so sehr hasst, dass man dafür tötet?

  • PP
    Pontius Pilatus

    An die Opfer denken - ja sicher, ist ja wohl selbstverständlich.

    Unrecht wird immer wieder geschehen.

    Gewalt ausüben kann jeder und Gewalt ist ein Zeichen der Schwäche.

    Niemand hat die Weisheit gepachtet, weder die RAF, noch Herr Köhler, noch Herr Ratzinger in Rom.

    Die am lautesten schreien, sind nicht automatisch im Recht.

    Wenn jemand bestraft wurde und ehrlich bereut, muss man Gnade walten lassen.

    Nur die/der Starke kann vergeben, verzeihen und sich auch Irrtümer eingestehen.

    Rache und die öffentliche Meinung sind schlechter Berater.

  • G
    gaijinette

    Wenn das bisher hier Gefundene (Letztkommentar bisher: 18.05.2010 13:01) repräsentativ für die taz-Leser wäre... das kann ich dann aber doch nicht glauben. Wenn ich mir allerdings die Wahlen betrachte... wundert es mich beinahe, daß nicht auch noch Folter gefordert hat. Wahrscheinlich habe ich nur nicht genau genug 'hingelesen'.

     

    (Mal sehen, ob und wann mein Kommentar zum Artikel übernommen wird.)

     

    Wie kann man jemand unterstellen, wer so etwas wie Mitleid mit den Tätern empfinde, wäre kalt den Opfern gegenüber... was für ein Verhältnis zu unserem Grundgesetz, zu unseren Grundwerten, zu den Menschenrechten drückt das eigentlich aus?

     

    --gaijinette

  • LC
    Lord Cynderbottom

    Warum sollte man linke Straftaten im Nachhinein gut heißen?

    Damit man "billig in die Geschichtsbücher" kommt?

    Ein Schlussstrich über das "dunkle Kapitel Deutschlands" ziehen?

     

    Es werden noch heute (zurecht) Verbrecher der Nazizeit gejagt und verurteilt. Und das liegt länger zurück.

    Von daher finde ich das Argument, man müsse mit dem Schlussstrich ziehen anfangen, etwas komisch und einseitig.

  • L
    Luftschloss

    Schlussstrich!?

     

    In der Deutschen Geschichte darf es nie und nimmer Schlussstriche geben, gerade die Linke sollte das wissen.

  • K
    Kiki

    Beim Lesen dieses Kommentars läuft es einem kalt den Rücken herunter und man fragt sich, was sich der Autor eigentlich denkt. Eine gewisse Sympathie für die RAF-Täter schimmert hier ja schon durch - und ein Schlag ins Gesicht der Opfer ist es auch.

     

    Was für einen Grund gäbe es denn, die Terroristin Hogefeld zu begnadigen? Sie trägt ja nichteinmal zur Aufklärung der Verbrechen bei...

  • UZ
    Ungläubig Zweifelnder

    Warum fällt es mir bei solchen Kommentaren so leicht an den Menschen zu zweifeln, mhm?

     

    Die faschistoide Bestrafungssucht drückt sich hier doch aufs perverseste aus. Natürlich bleiben die Opfer tot und sie sind auch nicht gerechtfertig. Aber die Begnadigung einer Gefangenen tötet nicht zweimal das gleiche Opfer, sondern die Frau, die längst geläutert ist.

     

    Was ist das für eine Gesellschaft, die schon wieder nach Blut und Bestrafung giert, wo gerade die RAF gezeigt hat, das mit Blut keine Freiheit erkauft werden kann! Sind wir schon wieder so weit?

  • H
    Holkan

    Hatte bislang immer den Eindruck der öffentliche, bzw. mediale Druck sei PRO Freilassung. Aber wahrscheinlich lese ich nur die falschen Zeitungen.

  • M
    Martin

    Ganz schön dumm von Köhler! Hätt er doch mal eine "Alles gut, alles vergeben"-Geste geben können.Und das auch noch billig, weil kurz vor Haftende.

    Schließlich ist Hogefelds ermordetes Opfer ja auch schon längst wieder lebendig!

    Und sie hat ja auch schon eingestanden, das das Ganze nutzlos war und sie den Typ also ganz umsonst umgebracht hat. Damit muß dann doch mal gut sein, man kann ja mal Fehler machen, so'n Toter ist doch nicht die Welt.

    Außer für den Toten und seine Angehörigen natürlich.

  • DG
    Dirk Gober

    Köhler hat tatsächlich eine Chance verpasst, nämlich zu sagen "Mit Abschaum befasse ich mich nicht. Diese Frau ist eine mehrfache Mörderin und kann von Glück reden, von diesem 'Schweinesystem' nicht so behandelt zu werden, wie sie ihre Opfer behandelt hat. Kaltblütig, zynisch, gnadenlos."

     

    Vielleicht sollten Leute, wie der Autor dieses Artikels, einmal unmittelbar nach den Taten ihrer Schützlinge den Angehörigen der Opfer in die Augen blicken, bevor sie solche zynischen "Artikel" schreiben.

     

    Und wer darf das leben dieser Mörderin auch weiterhin finanzieren? Ganz sicher nicht die "Versteher", wie die taz, sondern - genau! Das "Schweinesystem".

  • G
    grifter

    Der Bundespräsident hat in freier Entscheidung das

    Gnadengesuch der RAF-Terroristin Hogefeld abgelehnt.

    Dies ist uneingeschränkt zu begrüßen. Es gibt keinen

    Grund, Frau Hogefeld auch nur einen Tag ihrer Haft zu

    ersparen. Sie sollte ihre Freilassung 2011 oder 2012

    als ein Privileg begreifen, welches ihre Opfer nicht

    hatten.

  • H
    haariger

    Sag' mal, Wolfgang, was ist jetzt eigentlich die Aussage deines Kommentares?

    Dass das Gnadengesuch "nun negativ ausfällt, ist ... dem medialen Druck geschuldet..." schreibst Du und implizierst damit, dass der Bundespräsident ein Populist ist.

    Andererseits gestehst Du ihm das Wissen um seine unabhängige Entscheidung zu.

    Also was nun?

    Das ist kein mit Superaltiven ("historisch") verbrämter Kommentar sondern seichtes Geplauder.

    Passt irgendwie zu den "Bild"-Schlagzeilen mit denen sich die "taz" neuerdings schmückt.

     

    quo vadis taz?