die wahrheit: Tödliche Blumenpost aus Kreuzberg

Die Post verkauft neuerdings Duftbriefmarken mit der Note "Rose", die man auf die Finanzamtskorrespondenz kleben soll, um damit beim Adressaten die Laune zu heben.

Auf Nachfrage behauptete man in meiner Filiale, die Note "Pipi" oder "Nasser Hund" seien noch nicht geplant, aber man hofft, solange man lebt. Ich warte außerdem auf die ersten durch meine Rosenbriefe ausgelösten Allergieschocks bei sensiblen Finanzbeamten, die es dann endlich auch mal auf das Cover der Boulevardzeitung BZ schaffen: "Kreuzberger Steuersünderin schickt tödliche Blumenpost – Fahrlässigkeit oder heimtückischer Mord?"

Angeblich brechen Allergiker nur angesichts pestizidbelasteter Rosen ohnmächtig zusammen, aber bis die Deutsche Bundespost teure Biorosen aus Brandenburg verarbeiten lässt, wird noch einiges Wasser den rattenverseuchten Landwehrkanal hinuntersickern.

Es gibt keine Pflanze, die keine Allergien hervorrufen kann, man muss nur den geeigneten Menschen finden. Einen geschmackvoll und langsam gefilmten, mit sparsamem oder überhaupt keinem Off-Text ausgestatteten "37°"-Dokumentarfilm im ZDF könnte man sich beispielsweise über den traurigen Fall eines Obstallergikers vorstellen, der zum Jainismus konvertiert und langsam zugrunde geht.

Der Jainismus kommt aus Indien, seine Anhänger heißen "Jains", ihr geistiger Führer wird Tirthankara genannt und ist vor allem viel, viel dünner als Buddha, denn der wichtigste ethische Leitsatz der Jains ist die "Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebwesen", Tieren und Pflanzen. Tiere töten, um sie zu essen, kommt also ohnehin nicht in die Tüte. Obwohl die gesamte irre indische Spirituellensippe von jeher sehr erfinderisch mit Ausnahmeregelungen ist und gern mal ein Kalb nur zu dem Zweck schlachtet, ihm zur schnelleren Wiedergeburt zu verhelfen.

Und bei Pflanzen gilt der Fruganer-Vorsatz: Was die Pflanze dir nicht schenkt, das iss auch nicht. Ein frutarisches Mehrgangsmenü ist also recht übersichtlich: Matschiges Fallobst, aus dem vorsichtig die Wespen und Würmer herausgeklopft wurden, ist in Ordnung. Wer jedoch eine Weizenähre abknickt, um Körner, Mehl oder Brot daraus zu gewinnen, und sie damit zerstört, dem droht Karma-Verschlechterung bis hin zur Wiedergeburt als Regenwurm.

Dass Jains, genau wie streng gewaltlos lebende Hindus und Buddhisten, den Weg vor sich mit Palmwedeln sauberfeudeln, damit sie mit ihren großen Zehensandalen nicht aus Versehen auf Einzeller treten, und dass das Märchen vom tapferen Schneiderlein dort als Horrorthriller an Kinderbetten die Runde macht, versteht sich von selbst. Jener nach jainistischen Regeln streng frutarisch lebende Obstallergiker wird also nichts zu lachen haben, aber Lachen ist eh nicht unbedingt des Asketen Ding.

Der geistige Führer, dem ich vertraue, hat hingegen mal gesagt: "Will nicht mehr gesund und schlank sein. Will dann lieber dick und krank sein!", und aus seiner spirituellen Schriftensammlung ("Das große Heinz Erhardt Buch") ziehe ich nach wie vor viel Kraft.

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kari

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