Berliner Clubs der WM-Teilnehmer (1): Serbien: Es geht aufwärts

Der FK Srbija Berlin hat den Aufstieg aus der untersten Etage des Amateurfußballs in der Tasche. Da wagt man auch mal einen Vergleich mit den ganz Großen in Südafrika

Es ist stickig in der Umkleidekabine des FK Srbija Berlin. Der Raum ist winzig für 15 Fußballer und ihre übergroßen Sporttaschen. Aber die beengten Verhältnisse "An den Freiheitswiesen" vis-à-vis dem Spandauer Gewerbegebiet kann man als standesgemäß bezeichnen. Der FK Srbija spielt in der Freizeit-Bezirksliga Staffel 2, der untersten Etage des Berliner Amateurfußballs. Absteigen kann man hier nicht mehr. Aber Enis Djerlek, der Trainer, hat sich vor dem wichtigsten Saisonspiel des Vereins, dem Freizeitpokal-Halbfinale, eine Rede zurechtgelegt, mit der er die kleine Welt des FK Srbija weit hinter sich zurücklassen will. Feierlich verkündet er in der Kabine: "Heute ist die Ouvertüre für das WM-Spiel am 18. Juni zwischen Serbien und Deutschland. Und so wie unsere Nationalelf gegen die Deutschen gewinnen wird, siegen wir heute gegen Hertha Zehlendorf."

Im Grunde macht der FK Srbija jedes noch so unbedeutende Spiel zur großen Oper. Egal ob man Stern Windmühle oder den TSV Helgoland zum Gegner hat, die Spieler formieren sich vor und nach jeder Partie zu einem Kreis. Sie sind größtenteils serbischer Herkunft, aber auch ein Grieche, Türke und Deutscher reihen sich stets mit ein. Arm in Arm stehen sie dann da und rufen dreimal: "FK Srbija." Zu Deutsch: "Fußballklub Serbien". Danach marschieren sie in den serbischen Landesfarben auf den Platz. Blaue Trikots, rote Hosen, weiße Stutzen, das serbische Wappen mit den zwei weißen Adlern prangt auf der Brust. Für den Griechen, den alles Kosta rufen, ist das kein Problem. "Griechen und Serben verstanden sich schon immer gut", sagt er.

Auch im Pokalspiel gegen den FC Hertha 03 Zehlendorf läuft der FK Srbija wie gewohnt im Nationaldress auf. Etwa 50 Zuschauer, die größtenteils auch serbischer Herkunft sind und sich mit Handschlag reihum begrüßen, warten bereits am Rande des etwas zu schmal geratenen Kunstrasenplatz. An den angrenzenden Gitterzäunen hat Djordje Pavlovic, der regelmäßig die Spiele des FK Srbija besucht, bereits drei serbische Flaggen befestigt. Für Pavlovic geht es nicht nur um Fußball. Der Verein, sagt er, müsse mit an einem Imagewandel der Serben in Deutschland arbeiten. Sein Land werde meist in Verbindung mit dem früheren Staatschef Slobodan Milosevic und den Kriegsjahren gebracht. Positive Assoziationen dagegen gebe es kaum.

Noch bis in die späten neunziger Jahre spielte in Berlin der von Serben dominierte FC Jugoslavija. Doch nach dem Zusammenbruch von Jugoslawien löste sich auch die fußballerische Vielvölkergemeinschaft in Berlin auf. Der S.D. Croatia Berlin und der SV Bosnien i Hercegovina wurden gegründet. Einen entsprechenden serbischen Klub gab es lange Zeit nicht, obwohl die Serben in Berlin nach den Türken und Polen die drittgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe stellen. Etwa 23.000 Serben sind laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in der Stadt gemeldet. Wobei zu berücksichtigen ist, dass einige darunter zu den mittlerweile entstandenen Nachfolgestaaten zählen, diesen aber noch nicht zugeordnet sind. "Wir Serben sind uns nicht immer so schnell einig wie die Kroaten", erklärt Djordje Pavlovic das langjährige Fehlen eines serbischen Sportvereins.

Zumindest existierte einige Zeit eine serbische Betriebssportgemeinschaft, der BSG Njegos, der nach dem bedeutenden serbischen Dichter Petar II Petrovic-Njegos benannt wurde. Aber die serbische Community verlor das Interesse am BSG Njegos. "Die Identifikation war nicht so groß, weil Njegos im heutigen Montenegro gelebt hat", erklärt Pavlovic. Seit der FK Srbija im letzten Sommer in den Spielbetrieb eingestiegen ist, habe sich das schlagartig geändert.

"Wir sind der erste serbische Verein in Berlin", betont Trainer Enis Djerlek. Noch befindet sich der FK Srbija in einem embryonalen Zustand. Reserve-, Frauen- oder Jugendteams existieren bislang nicht. Es fehlt also an einem kompletten Unterbau. Das soll möglichst schnell anders werden. In der Kabinenpredigt vor der Pokalbegegnung mit Hertha Zehlendorf betont Trainer Djerlek, wie stolz er auf das sei, was man bereits in kürzester Zeit erreicht habe. "Wir führen die Liga souverän an, haben mehr als hundert Treffer erzielt und damit den Aufstieg vorzeitig gesichert und stehen jetzt im Pokal unter den letzten vier."

Die Ouvertüre zum WM-Spiel Serbien gegen Deutschland misslingt allerdings. Aber auch nach der 1:5 Niederlage gegen die höherklassigen Zehlendorfer zieht Enis Djerlek unverdrossen seine Parallelen zur großen Fußballwelt. "Das war wie bei einem WM-Achtelfinale. Wir lagen 1:3 zurück und haben uns dann eben völlig öffnen müssen." Das Kleine wird beim FK Srbija gerne in einen ganz großen Rahmen gestellt.

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