Kolumne Wortklauberei: Es war mir ein inneres Verbalfoul

Wir wollen keine Reichsparteitags-Weltmeisterschaft! Weil: wir sind ja nicht bescheuert. Oder auch doch.

Die WM lief kaum, da fand ich mich schon als Medienkompetenzvermittler auf der Couch neben meinem Neffen. Mehr als die Spiele faszinieren den die Krawallwerbeblöcke dazwischen. "Warum ist da jetzt das Tor explodiert?" Weil ein Werbefuzzi ein "starkes Bild" gesucht hat, aber, äh, das verstehst du noch nicht. Eine Oase der Ruhe, wenn dazwischen Oliver Kahn durch ein steriles CGI-Loft wandelt. "Wenn ich mich immer mit dem Zweitbesten zufriedengegeben hätte", sagt er, "dann wäre ich jetzt bei der aus meiner Sicht zweitbesten Fondsgesellschaft. Aber: Wer will das schon?" Also: Ich mal sicher nicht. Ich will auch nicht "bei" der aus Olli Kahns Sicht allerbesten Fondsgesellschaft "sein". Ich will meine Ruhe vor diesem Käse. Aber süß, wie gewissenhaft vorsichtig er bzw. sein Werbefuzzi formuliert.

Abends stand Kahn dann wieder im WM-Studio, und ich konnte mich kaum auf seine einfühlsamen Ausführungen konzentrieren. Weil doch damit zu rechnen war, diese irre Nazibraut Katrin Müller-Hohenstein (allein der Name!) neben ihm könnte jeden Moment wieder "den Nationalsozialismus loben", wie es ein Blogger formuliert hatte. Andere gründeten die Facebook-Gruppe "Wir wollen keine Reichsparteitags-Weltmeisterschaft!" Ein Postulat, dem man sich affektiv anschließen möchte (weil: Reichsparteitags-Weltmeisterschaft? Wer will das schon?), wenn es nicht so hirnerweichend bescheuert wäre. Eine Onlinepetition forderte, das ZDF solle sich nach KMHs "innerer Reichsparteitag"-Spruch "vom Nationalsozialismus distanzieren". Dreierlei möchte ich vorschlagen: 1. Kann man sich darauf einigen, dass der Spruch keinen "rechtsfaschistischen" Hintergrund hatte, sondern gedankenloses, anbiederndes Umgangssprachengequatsche war und dass es schön wäre, wenn im TV weniger gedankenloses, anbiederndes Umgangssprachengequatsche zu hören wäre? 2. Lieber ein innerer Reichsparteitag von Klose als ein äußerer FDP-Parteitag mit Westerwelle. 3. Im Sinne der sprachlichen Abrüstung kehre man zu den alten windelweichen Fußballmetaphern zurück. War das nicht einfach ein "verbales Foul" resp. "verbales Eigentor"?

Stellen Sie sich vor: Letzte Woche war Edmund Stoiber bei "Anne Will" und hat keine einzige Fußballmetapher benutzt! Klar: Jetzt fragen Sie, warum 2010 die Mumie Edmund Stoiber bei "Anne Will" sitzt, wenn es dort um den Bundespräsidenten geht. Will hatte in der Anmoderation behauptet, dass Stoibers "Name gefallen" sei, als es um die Kandidatur zur Köhler-Nachfolge ging. Wo, bitte, ist denn da der Name Edmund Stoiber gefallen? Beim Feixen in der Wohnküche von Anne Will? Es ging halbwegs erträglich los, Stoiber sülzte mit ungewohnt sonorer Stimme irgendeine Elder-Statesman-Salbaderei daher. Dann aber kam die Rede auf Finanzpolitik, und ehe man sichs versah, saß da ein wie eh und je Quäkender und dozierte über Finanzdisziplin und wie er in Bayern ja einst einen ausgeglichenen Haushalt geschaffen habe. Gut, dass mein Neffe nicht da war. Ich hätte mich schwergetan, ihm zu erklären, warum genau der Onkel plötzlich seinen Colt zog und den Fernseher erschoss.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.