Kommentar Steuersenkungen: Die eigene Welt der Liberalen

Vor zwei Wochen drohte noch der Staatsbankrott, jetzt träumt die FPD schon wieder von Steuersenkungen. Tröstlich, dass ihre Steuerpläne keine politsche Bedeutung mehr haben.

Bizarr, wie schnell die Launen in der Politik wechseln können. Vor zwei Wochen hat die Regierung ein Sparpaket von 80 Milliarden Euro vorgestellt, weil angeblich der Staatsbankrott Deutschlands drohe - und nun träumt die FDP schon wieder von Steuersenkungen. Die Staatspleite scheint also abgesagt. Was ist passiert? Nicht viel. Das Bundesfinanzministerium und diverse Konjunkturforschungsinstitute haben nur ihre düsteren Prognosen ein wenig korrigiert - und gehen nun von einem soliden Wachstum in diesem Jahr aus. Am strukturellen Defizit ändert dieses kleine Zwischenhoch jedoch gar nichts.

Trotzdem posieren die Liberalen in ihrer Lieblingsrolle: Sie geben den Anwalt des kleinen Mannes. Vor allem die "geringen und mittleren Einkommen" würden von ihren Steuerreformen profitieren, versprechen sie immer wieder. Das ist eine glatte Lüge. Tatsächlich würden vorrangig die Oberschichten bedient. Der Steuerzahlerbund hat die FDP-Pläne durchgerechnet: Spitzenverdiener sparen 1.534 Euro im Jahr, bei Niedriglöhnern wären es weit unter 200 Euro.

Zudem ist verräterisch, dass die Liberalen nicht das Naheliegende vorschlagen. Wenn es angeblich Luft im Haushalt gibt - dann könnte man ja die Sparbeschlüsse zurücknehmen, die die Hartz-IV-Empfänger treffen.

Bei den Armen kürzen, um den Reichen zu geben - dieses umgekehrte Robin-Hood-Prinzip wird selbst von den Wohlhabenden nicht mehr goutiert. Am Mittwoch erschien eine weitere Umfrage, die belegt, dass selbst viele Spitzenverdiener bereit sind, höhere Steuern zu zahlen, um die Staatsfinanzen zu sanieren.

Die Bundesbürger verändern ihre Prioritäten. Nur die FDP scheint sich in eine eigene Welt zurückgezogen zu haben, in der die ewigen Leitsätze des Guido Westerwelle gelten. Zum Glück gelten sie sonst nirgends mehr, hat doch Schwarz-Gelb die Mehrheit im Bundesrat verloren. Wie tröstlich: Die Steuerpläne der Liberalen haben keine politische Bedeutung mehr.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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