Gedenkstätte erinnert an KGB-Gefängnis: Die vergessenen Gefangenen

In der Potsdamer Leistikowstraße 1 betrieb die sowjetische Spionageabwehr vierzig Jahre lang ein Untersuchungsgefängnis. Daran soll in Zukunft die Gedenkstätte "KGB-Gefängnis" erinnern.

Von den Gitterstäben geblieben sind nur die Stümpfe. Fast verloren ragen sie aus der Betonumfassung der Fenster des grau verputzten Hauses in der Potsdamer Leistikowstraße 1. Bis Mitte der 1980er Jahre betrieb hier, mitten in der noblen Nauener Vorstadt, die sowjetische Spionageabwehr ein Untersuchungsgefängnis. Damals gehörte das Gebäude zu einem Sperrgebiet, dem die Sowjets den niedlichen Namen "Militärstädtchen Nr. 7" gegeben hatten. Nun wird das Gebäude zur Gedenkstätte umgebaut.

Denn was sich in dem einfachen, zweigeschossigen Haus in der Leistikowstraße abspielte, soll nicht vergessen werden. In Einzelhaft in kargen Zellen waren die Inhaftierten unter katastrophalen hygienischen Bedingungen und abgeschirmt vom Tageslicht untergebracht. Durch Schlafentzug und Schläge erpressten die Militärs Geständnisse, meist von Unschuldigen. "Tagsüber durfte ich in meiner Zelle nur stehen, immer mit dem Gesicht zur Wand", erzählt Peter Seele. "Nachts wurde ich dann stundenlang verhört."

22 Jahre alt war der Potsdamer, als man ihn vor 60 Jahren in eine Zelle im Keller der Leistikowstraße sperrte. "Spionage" lautete der Vorwurf, und Spionage nannte man als Grund, als man ihn zum Tode verurteilte. "Dabei war ich unschuldig", meint er. Er habe es abgelehnt, als Spitzel zu arbeiten, deshalb habe man ihn verhaftet. "Ein ehemaliger Klassenkamerad hat mich damals belastet." Nach seiner Begnadigung schickte man Seele in einen Gulag ans Eismeer. Vier Jahre seines Lebens verlor er an die stalinistische Willkür, bevor er nach Hause zurückkehren durfte.

Etwa 1.500 Deutsche saßen zwischen 1945 und 1955 in dem Untersuchungsgefängnis. Meist junge Menschen, denen man vorwarf, als Mitglied der Untergrundbewegung "Werwolf" am letzten Aufbäumen Hitlerdeutschlands beteiligt gewesen zu sein. Später wurden ausschließlich sowjetische Gefangene inhaftiert, bis Mitte der 1980er Jahre das Gefängnis aufgegeben und zu einem Materiallager umfunktioniert wurde. 1994 ging es mit der Auflösung des Militärstädtchens Nr. 7 zurück an seinen ehemaligen Besitzer, den Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein.

Dessen Vorsitzender Peter Leinemann meint: "Uns war klar, dass dieses Haus nicht einfach wieder von uns genutzt werden konnte, sondern Bildungsinteressen dienen muss." Schnell habe man ehrenamtliche Helfer gefunden, die Kontakt mit Zeitzeugen aufgenommen hätten. 1997 sei mit deren Hilfe das Haus mit einer ersten kleinen Ausstellung für Besucher geöffnet worden. "Finanziert haben wir den Betrieb mit 170.000 Euro." Die Helfer organisierten sich und gründeten den Verein Gedenk- und Begegnungsstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam.

Doch den Zerfall des alten Gebäudes konnten sie nicht aufhalten. Die Inschriften von Häftlingen an den Zellenwänden drohten verloren zu gehen, und auch die Sicherheit der Besucher war nicht mehr gewährleistet. Zudem bedurfte es endlich einer Aufarbeitung der Geschichte des Hauses - eben nicht nur durch Ehrenamtliche und Betroffene, sondern durch Historiker.

Stadt und Land begannen sich für die Errichtung einer Gedenkstätte zu engagieren und stellten Geld zur Verfügung, mit dem das Haus saniert und ein Besucherzentrum gebaut werden konnte. 2008 wurde die Stiftung Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam gegründet, die von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten verwaltet wird. Diese ist auch für die Ausstellungen in den ehemaligen Konzentrationslagern Sachsenhausen und Ravensbrück verantwortlich.

"Zurzeit erstellen wir eine Sammlung, die wir als wissenschaftliche Basis für die zukünftige Dauerausstellung brauchen", sagt Horst Seferens, Pressesprecher der Stiftung. Im Sommer nächsten Jahres solle das Museum eröffnen. "Bis dahin gibt es einen Interimsbetrieb mit Führungen am Wochenende und auf Nachfrage."

Überschattet wird die Projektarbeit zurzeit von Unstimmigkeiten zwischen der Stiftung als jetzigem Betreiber und dem Verein, der sich als Erster um die Aufarbeitung der Geschichte des Hauses bemühte und sich nun als Sprachrohr der Zeitzeugen ansieht. Dabei geht es um Öffnungszeiten, die Einbeziehung der Betroffenen und die bislang fehlende Verdunkelung der Zellenfenster im Keller. Diese rückt laut dem Vereinsvorsitzenden Richard Buchner die Haftbedingungen im wahrsten Sinne des Wortes in ein falsches Licht. "Die jetzigen Betreiber verharmlosen die Zustände in einer stalinistischen Diktatur", meint er. "Im Umgang mit den Zeitzeugen fehlt ihnen die Sensibilität."

Stiftungssprecher Seferens hält dagegen, natürlich komme die Verdunkelung, man sei nur eben mit der Umsetzung noch nicht so weit. "Der Verein hat Probleme mit dem Rollenwechsel", meint er. Man habe Verständnis dafür, dass es den Zeitzeugen nicht schnell genug gehen könne. "Noch gibt es aber Forschungslücken, die es vor der Eröffnung einer seriösen und wissenschaftlich fundierten Ausstellung zu schließen gilt."

Durch diesen an Kleinigkeiten aufgehängten Streit blockiert der Verein den Zugang zu bereits gesammelten Dokumenten und den Kontakt zu den hochbetagten ehemaligen Häftlingen. Wichtige Zeit verstreicht, doch diverse Schlichtungsversuche verliefen im Sand.

Antje Grabley ist als Sprecherin des Brandenburger Kultusministeriums mit dem Problem vertraut. Sie sagt: "Das Haus in der Leistikowstraße hat wie viele Gedenkstätten eine vielschichtige Vergangenheit." Die durch den Verein vertretenen Zeitzeugen seien zwischen 1945 und 1955 inhaftiert gewesen. "Sie sind auf ihr eigenes Schicksal fokussiert. Aber die Gedenkstätte möchte sich natürlich der gesamten Geschichte annehmen."

Daher müssten die Betroffenen Verständnis dafür haben, dass gewisse bauliche Änderungen, die nach ihrer Haftzeit vorgenommen wurden, nicht rückgängig gemacht würden. Zudem sei auch der Einbau von Beleuchtung und Fluchtwegen unvermeidbar gewesen. "Natürlich ist es für die ehemaligen Häftlinge nur schwer zu verdauen, wenn sie ihre einst dunkle Zelle hell erleuchtet vorfinden." Anders sei es aber rechtlich nicht möglich, das Haus regelmäßig für Besucher zu öffnen. Und gerade das sei ja das Ziel aller Beteiligten.

Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam, Leistikowstraße 1, Potsdam. Bis zur endgültigen Eröffnung im Sommer 2011 werden samstags und sonntags zwischen 11 und 17 Uhr Führungen angeboten. Mittwochs Sonderöffnungszeiten für Gruppen nach Absprache,

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.