KONSUMGUT AUS DEM VOLLZUG: Von drinnen nach draußen

Das Gefängnis in Oslebshausen hat jetzt auch einen eigenen Verkaufsladen. Selbst ohne ihn setzten die dortigen Knastbetriebe schon eine Million Euro im Jahr um.

Knastladen. Im Schaufenster spiegelt sich der Stacheldraht. Bild: Zier

Ein ganz normaler Laden. Ein Nistkasten, handgefertigt, massives Holz, deutsche Wertarbeit: 35 Euro. Ein Kinderstuhl, dito, passend zur Fußball-WM auch in schwarz-rot-gelbem Anstrich erhältlich: 22 Euro. Ein ganz normaler Laden? Für den freundlichen, leicht untersetzten Mann hintern dem Tresen ist es ein Stück der Welt da draußen.

Hinter ihm, im neugotischen Fenster eines roten Backsteinbaus von 1874 spiegelt sich Stacheldraht. Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Oslebshausen. Hier sitzt er ein, als einer von gut 360 Männern. Er ist ein Freigänger. Sie haben all jene Sachen gefertigt, die er hier verkauft. Der Laden: das "Knastwerk No.1".

Bremen hat jetzt auch einen. Anderswo, in Hamburg etwa, oder in Berlin, ist man im Gefängnismarketing schon etwas weiter, hat unter dem Label "Made im Knast" auch eigene Modelinien entwickelt, die den Gefängnis-Chic zur Schau tragen. Soweit sind sie hier noch nicht. Es gibt ein T-Shirt, weiß, Baumwolle, auf dem dezent das neue Logo des Ladens zu sehen ist. Das Hemd kostet fünf Euro. Und das Logo darauf stammt von einer Schülerfirma namens "kursiv Design" vom nahe gelegenen Schulzentrum an der Alwin-Lonke-Straße.

Zehn Jahre ist es her, dass die Knastbetriebe für den freien Markt geöffnet wurden. Bremen setzt mit ihnen heute etwa eine Million Euro im Jahr um, bei einer Auslastung von 72 Prozent. Jetzt will man das Geschäft "erheblich ausweiten", wie Knast-Sprecher Georg Ilgner sagt. Er ist einer, der auch hervorragendes Marketing-Deutsch spricht. Das "Knastwerk No.1", nur wenige Quadratmeter groß, wurde am 18. Juni eröffnet. Seit vier Jahren wird im Internet auf das übrige Angebot der Knastbetriebe hingewiesen. Online-Shop haben sie keinen. Zu teuer.

Wer hier auf Dumping-Preise hofft, der irrt. Auch wenn das, was hier gekauft wird, von der Mehrwertssteuer befreit ist. Die grün-weiß-rote Umhängetasche aus Stoff, handgefertigt, solide genäht, kostet 59 Euro, der massive, schwere Grill für den Garten 200, die formschöne Liege dazu aus Holz 120 Euro. Aber natürlich können sie auch Schrankwände maß anfertigen. Oder auch Schreibtische.

So wie jene im Justizzentrum am Wall, an denen dort die RichterInnen sitzen, mehrere Meter lang, mit höhenverstellbaren Füßen, mit eingelassenen roten Schreibunterlagen, aus massiver Eiche gefertigt. "Nicht immer", sagt Werkdienstleiter Detlef Winkler, sei das, was hier gefertigt werde, billiger als das, was Handwerksbetriebe am freien Markt anböten.

Immerhin: An den Lohnkosten der insgesamt rund 260 Werktätigen liegt es nicht. Exakt 2.190 Minuten muss ein Häftling pro Woche arbeiten, wenn er eine Freiheitsstrafe verbüßt, also 36,5 Stunden. Die Stundenlöhne variieren. Aber nur zwischen 1,13 und 1,89 Euro. Das sind, erklärt Ilgner, neun Prozent des durchschnittlichen Bruttoverdienstes in Deutschland vor zwei Jahren. So genau schreibt es das Gesetz vor.

An diesem Tag haben bis zum frühen Nachmittag fünf Leute im "Knastwerk No. 1" etwas gekauft, gut zehn mal so viele, versichert der Verkäufer, waren da. Viele kommen aus dem umliegenden Oslebshausen, der Laden, in einem ehemaligen Casino untergebracht, liegt am Rande eines Wohngebiets. Doch Laufkundschaft gibt es hier fast nur, wenn sie ohnehin zur Pforte der JVA will.

Die Nistkästen gingen zuletzt besonders gut, schon wurden in den Werkstätten zehn neue produziert. Auch Gartenbänke sind sehr gefragt. Woher sie kommen - man sieht es ihnen nicht an. Halt aus einem ganz normalen Laden.

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