Kita-Gebühren: Alarmismus mit dünnen Zahlen

Im Bezirk Nord müssen bald bis zu 29 Prozent der Eltern den Höchstsatz zahlen, meldet das "Abendblatt". Dabei hat der Bezirk noch gar keine aussagekräftigen Zahlen vorliegen.

Gegen höhere Gebühren: 42.500 HamburgerInnen haben im Juni eine Volkspetition unterschrieben. Bild: dpa

Neuer Streit um die Kita-Gebühren. "Höhere Kita-Gebühr trifft viel mehr Eltern", titelte am Freitag das Hamburger Abendblatt - fußend auf einer Auskunft des Bezirks Hamburg-Nord: 29 Prozent der Eltern müssen demnach künftig den um 100 Euro erhöhten Höchstsatz zahlen. Die Zahlen könnten zwar noch "leicht sinken", Bezirkssprecher Peter Hansen erwarte aber "keine gravierenden Änderungen mehr", hieß es weiter.

Ab August gilt eine neue Kita-Beitragstabelle, in der der bisherige Höchstsatz von rund 390 Euro je nach Einkommen auf bis zu 490 Euro steigt. Von der 100-Euro-Erhöhung seien nur etwa fünf Prozent der Eltern betroffen, hatte CDU-Sozialsenator Dietrich Wersich gesagt. Ihm wird nun eine "krasse Fehleinschätzung" unterstellt.

Gegenüber der taz stellte Hansen die Sache etwas anders dar: "Es handelt sich um Zwischenstände, die interpretiert worden sind." Im alten Gebührensystem hatten über 30 Prozent der Eltern freiwillig den Höchstsatz von 390 Euro gezahlt. Das hat den Vorteil, dass man den Aufwand spart, die Einkommensverhältnisse dem Kita-Amt darzulegen. Ob diese Eltern im Bezirk Nord künftig dasselbe oder bis zu 100 Euro mehr zahlen müssen, hängt von der Berechnung ihrer Einkommen ab. Im Bezirksamt hatten bislang lediglich 280 der 3.838 bisherigen Höchstsatzzahler ihre Einkommensnachweise vorlegt. Die übrigen haben das noch nicht getan, ihnen bleibt dafür allerdings auch noch Zeit.

Kita-Gebühren sind in Hamburg nach Einkommen gestaffelt. Für einen Acht-Stunden-Platz zum Beispiel zahlt eine vierköpfige Familie mit 1.636 Euro Monatseinkommen den Mindestsatz von 38 Euro. Ab 3.119 Euro zahlt sie den alten Höchstsatz von 383 Euro.

Ab August gilt die neue Tabelle. Eine vierköpfige Familie mit 3.170 Euro im Monat zahlt dann 388 Euro. Dies steigert sich in 20 Stufen. Ab 4.125 Euro zahlt die Familie den neuen Höchstsatz von 483 Euro.

Geschwister kosten ein Drittel der Gebühr, ab dem dritten Kind ist nur der Mindestsatz fällig.

2009 zahlten Eltern im Schnitt 121 Euro pro Kind im Monat.

Sozialbehörden-Sprecherin Julia Seifert sprach am Freitag von einer "Kita-Spekulation auf unhaltbarer Grundlage" und reagierte mit einer Richtigstellung. Eine "seriöse Bewertung" sei frühestens im September möglich, weil erst Ende August alle Rückmeldungen der Eltern vorliegen werden. Ende Juli werde deshalb noch mal ein Erinnerungsschreiben verschickt.

Dennoch nutzt die Opposition die Zahlen zur Stimmungsmache. Die SPD etwa schrieb: "Bezirke bestätigen Prognose der SPD - wesentlich mehr Eltern als behauptet sind betroffen." Senator Wersich verstehe entweder sein Handwerk nicht oder habe "bewusst getäuscht". SPD-Pressesprecher Christoph Holstein geht davon aus, dass die meisten Eltern, die bislang nicht reagiert haben, dies tun, weil sie wieder über der Höchstsatzzahlergrenze liegen.

Hamburgweit waren bisher etwa 21.000 der insgesamt 70.000 Kita-Eltern Höchstsatzzahler. Die Sozialbehörde hatte im Frühjahr hochgerechnet, dass der Beitragssatz für etwa 19.000 Eltern steigt - durchschnittlich um 36 Euro im Monat - und dass nur wenige den neuen Höchstsatz von 100 Euro mehr werden bezahlen müssen. Berechnet wurde dies anhand der Daten der bisherigen Höchstsatzzahler-Eltern, die ihre Einkommen angegeben hatten. Insgesamt rechnet Wersich mit 9,1 Millionen Euro Mehreinnahmen.

Sollte er sich hier verschätzt haben, wäre das nicht das erste Mal. Im Februar 2001 musste die damalige SPD-Schulsenatorin Ute Pape einräumen, dass eine Beitragsreform, die ursprünglich kostenneutral sein sollte, zusätzliche 16 Millionen Mark eingebracht hatte. Geld, dass die Kitas seinerzeit gut gebrauchen konnten - denn hier wurde unter Rot-Grün gekürzt.

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