Kolumne Männer: Terminator II

Das alte männliche Rollenverständnis ist diskreditiert - ein neues fehlt noch. Das führt zu Ersatzhandlungen.

Wie ging mir dieser Blick auf die Nerven! Noch vor einer Minute hatte das Gesicht meines guten Freundes Gelassenheit ausgedrückt. Das passte gut, wir saßen beim Bier zusammen und blickten auf die Spree. Hinter dem Fernsehturm ging die Sonne unter. Aber jetzt blickte er mich an, als fühle er sich jedem Fremden näher als mir. Selbst dem Heavy-Metal-Fan, der gerade, eine Dose Bier in der Hand, an uns vorübergegangen war und dabei das hoffentlich selbst komponierte Lied "Bier statt Titten" johlte. Dabei hatte ich doch nur gesagt: "Der Erfolg von ,Terminator II' zeigt, wie miserabel es ums Mannsein heute steht."

"Jetzt guck nicht so", sagte ich. "Es ist doch so: Vordergründig geht es bei ,Terminator II' darum, dass ein Halbwüchsiger, seine toughe Mutter und ein aus der Zukunft geschickter Kampfroboter die Welt retten. Aber unterschwellig geht es um etwas anderes, und das verleiht dem Film so eine Wucht."

"Die geilen Effekte?"

"Äh, nein. Die Geschichte eines Jungen, der in einer Welt ohne maskuline Vorbilder endlich einen Vaterersatz findet, der alle klassisch männlichen Attribute vereint: körperliche Stärke, Tatkraft, Ehrlichkeit, Loyalität und Mut. Und die ironische Wendung ist die: Kein realer Mann kann ihm diese Tugenden vorleben, ohne dass die Zuschauer dies John-Wayne-mäßig fänden. Aber eine Maschine darf das! Und der Drehbuchtrick funktionierte. ,Terminator II' wurde der erfolgreichste Film der Welt."

"Und …?", fragte mein Freund. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich von Irritation zu blankem Unverständnis.

"Ist doch klar: Wie man ein positives Selbstverständnis als Mann gewinnt, lernen viele Jungs nicht. Beispielsweise weil sie von ihren Vätern getrennt leben oder nicht verstehen, was diese bei der Arbeit machen. Außerdem ist das alte männliche Rollenverständnis diskreditiert, ein neues noch nicht etabliert. Erst die irrlichternde Sehnsucht nach einem Vorbild lässt den Terminator liebenswürdig erscheinen: eine leicht altmodische Maschine, die ihre ,Familie' beschützt."

Mein Gegenüber wurde ungehalten. "Soll der T 800 dem zukünftigen Anführer des weltweiten Widerstands gegen die Herrschaft der Maschinen jetzt die Pausenstulle schmieren, oder was?" Hatte ich erwähnt, dass über dem Jugendbett des besagten Freundes einst ein Schwarzenegger-Poster hing?

"Neeeeeeiiiiinnnn. Ich will nur sagen: Ist es nicht bezeichnend für das Fehlen realer männlicher Vorbilder, dass ein Action-Film über eine Maschine mit steiermärkischem Akzent so einen Erfolg haben konnte?"

"Moment", sagte der Stullengegner. "Der Film kam 1991 in die Kinos - keine gute Zeit für männliche Vorbilder: Franz Beckenbauer hatte im Jahr zuvor die Fußball-WM gewonnen. Homer und Bart Simpson wurden zu Kultfiguren. Und Kohl war Kanzler." - "Ist es heute etwa besser?", fragte ich. Nur das einsame Lied des Heavy-Metal-Fans füllte die Stille. Ich folgte seinem Ratschlag und holte noch zwei Bier.

Als wir schließlich aufbrachen, waren wir noch immer ratlos, dafür aber ziemlich betrunken. Wir sind schließlich keine Maschinen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.