Stadtentwicklung: Alte und neue Klötzchen
Im Neuen Forum an der Großen Bergstraße eröffnet eine Ladenpassage. Bezirkspolitiker und Investoren schwärmen von "Modernisierung" des Stadtteils.
"Euphorisch" sei die Stimmung, sagt Altonas Baudezernent Reinhold Gütter: Die Rede ist von den Feierlichkeiten zur Eröffnung der Ladenpassage im Neuen Forum an der Großen Bergstraße. Der Wuppertaler Investor Christian Gnotke spricht vom "größten Umwandlungs- und Modernisierungsprojekt in einem Hamburger Sanierungsgebiet" und orakelt, es werde "erheblich" zur Belebung von Altona-Altstadt beitragen.
Konkret haben die Menschen in der Umgebung nun erstmal mehr Möglichkeiten zum Einkaufen: Ein weiterer Discounter, ein sogenannter Vollsortiment-Supermarkt, ein weiterer Drogerie-Filialist. Schon vor einigen Wochen eröffnete im Neuen Forum ein Geschäft für Computer des etwas gehobenen Preissegments. Betreiber Christian Rose hofft auf Laufkundschaft auch und gerade durch das mittelfristig nebenan errichtete Ikea-Haus. Mit seinen Apple-Produkten richtet er sich bewusst an jene kreative Klientel, die sich nach dem Willen von Bezirk und Investoren hier ansiedeln soll.
Peter Nierhaus ist Anwohner und erfreut über das verbesserte Nahversorgungsangebot - auch wenn in der neuen Ladengalerie längst nicht alles barrierefrei zugänglich sei, was er "einfach diskriminierend" findet. Mit seinem Verein "Forum Nord für Menschen mit Behinderung" ist Nierhaus aber auch unmittelbar von den Folgen des Projekts betroffen: Vor einem Jahr musste der Verein ausziehen, weil er die steigende Miete im Forum nicht mehr tragen konnte. Da sich in der näheren Umgebung nichts Bezahlbares finden lasse, erzählt Nierhaus, drohe jetzt das Aus.
Wie das Forum gilt auch das benachbarte Frappant-Gebäude als Motor der Umwandlung. Das Verhältnis zwischen Forum und der geplanten Ikea-Filiale sei nicht immer spannungsfrei gewesen, sagt Baudezernent Gütter: "Weil dem einen Klötzchen künftig ein neues Klötzchen an die Seite gestellt wird, das wiederum ein völlig ausgehöhltes Klötzchen Namens Frappant ersetzen soll."
Als Teil einer "euphorisch in die Welt gesetzten Neuen Mitte Altonas gebaut und finanziert" sei der Betonkomplex Anfang der 1970er Jahre errichtet worden, sagt Gütter. Nur wenig später hätten die Schwierigkeiten begonnen. Bevor der Investor das Gebäude im September 2008 kaufte, sei der Staat der größte Investor in diesem Gebiet gewesen.
Mit der Entscheidung gegen den Abriss des Forum-Gebäudes hätten sich 2007 viele von der "großen Vision" verabschiedet, "eine ganz neue städtebauliche Struktur zu schaffen", erinnert sich Ludger Schmitz von der Stadtentwicklungsgesellschaft Steg. Damals sah es ein erster Entwurf vor, die drei benachbarten Betongebäude - Frappant, Forum und Grewe-Hochhaus - abzureißen. Aber der Entwurf sei das eine - die Realität das andere.
Während mit der Ladenpassage neue Strukturen geschaffen werden, stehen alte zunehmend zur Disposition. Zum Beispiel der Wochenmarkt in der Neuen Großen Bergstraße: Zwar hat der Bezirk erklärt, er solle erhalten bleiben. Doch der Bebauungsplan sieht eine Zeile mit neuer Wohnbebauung vor. Werde die realisiert, sieht Schmitz keinen Platz mehr für die Marktstände.
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