Maritime Motive: Segler ziehen über das Meer

Mit der künstlerischen Abgrenzung von seinem berühmten Vater Lyonel hatte dessen jüngster Sohn T. Lux anfangs so seine Schwierigkeiten. Umso überzeugender war, was er dann schuf. In Kiel sind jetzt beeindruckende Schiffsgemälde zu sehen.

Die äußere Welt mit inneren Visionen konfrontiert: "Perle des Ozeans (Vollschiff)" (1930). : Kunsthalle Kiel

"Ich wollte Dir sagen, das ich von Deinen Gemälden im Modern Museum zutiefst beeindruckt war", schreibt der Vater an den Sohn. "Ich kenne die meisten Deiner Bilder, die gezeigt wurden, seit Jahren; aber selbst ich, der ich wie Deine Mutter sie immer geliebt habe, war von ihrer Schönheit erstaunt."

Es ist das Jahr 1943, Lyonel Feininger, der Vater, der da schreibt, ist seit langem als renommierter Grafiker und Maler im Geschäft; war lange Bauhausmeister und Anlaufstelle für die seinerzeitige Künstleravantgarde nicht nur aus Berlin. Nur wenigen wird möglicherweise das Werk des jüngsten Feininger-Sohnes vertraut sein: T. Lux Feininger, zum Zeitpunkt des Briefwechsels 33 Jahre alt.

In der Kunsthalle Kiel werden nun seit langem wieder Gemälde Feiningers des Jüngeren ausgestellt, konzentriert auf den Zeitraum zwischen 1929 und 1942. Gerade mal drei Räume umfasst sie, ist dafür aber umso besser gehängt, behutsam ausgeleuchtet. Und weil die Förde nicht weit weg ist, stehen die Chancen nicht schlecht, dass Möwen über dem Haus kreisen und mit ihrem Geschrei den richtigen Sound für diese Bilder liefern.

Aber noch ist es nicht soweit; zurück im Jahr 1943 schwankt T. Lux Feininger, wie er auf Dauer mit dem väterlichen Vorbild umgehen soll, mit dessen Einfluss und Anregungen: Leute wie Ernst Klee, Walter Gropius oder Wassily Kandinsky sind regelmäßige Gäste im Weimarer Haus der Feiningers, und so wird abends am Esstisch oder spätestens danach beim Cognac über Form und Inhalt, über Farbe und Struktur diskutiert.

T. Lux Feininger geht schließlich einen Mittelweg: Er studiert, gerade mal 16 Jahre alt, am Bauhaus, macht aber erstmal einen großen Bogen um die Malerei. Stattdessen zieht es ihn in die Bühnenklasse des Oskar Schlemmer, ohne dass das Theater am Ende tiefere Spuren hinterlassen wird. Es ist eben doch das Zeichnerische, das Ausgestalten von Flächen, das Komponieren von Licht und Schatten, zu dem er sich hingezogen fühlt.

Zeitweise arbeitet er mit im Atelier seines Vaters. Und das klappt offenbar bestens. Was beide teilen, was überhaupt Familienschatz ist, ist ihre Leidenschaft für Schiffe, für Segler. Und so startet T. Lux Werk mit Schiffsbildern: mit ersten Farbstiftzeichnungen, Ansichten von Schonern, wie sie durchs Wasser pflügen. Wer nun befürchtet, T. Lux Feiningers Begeisterung für Schiffsbilder und Hafenkulissen führe früher oder später in irgendeine Form martialischer Marinemalerei, kann aber beruhigt sein.

Ganz im Gegenteil öffnet für ihn die Beschäftigung mit dem Sujet "Schiff" den gestalterischen Raum, immer wieder neu die äußere Welt mit inneren Empfindungen und Visionen zu konfrontieren. Überall blitzen literarische Vorlagen auf, die ihn inspirierten: die Romane Joseph Conrads etwa oder die Gedichte Hans Leips.

Sehr gerungen hat er dagegen mit Knut Hamsun, den er verehrte und dessen Roman "Benoni und Rosa" Feininger 1935 ein Bild widmet, "Die Galeasse ,Funtus'", auf dem die norwegische Flagge weht. Und dann schließt sich genau dieser große Dichter Jahre später den einmarschierten Deutschen sowie den einheimischen Faschisten um Vidken Quisling an. "Künstler ja, Verräter nein", findet Feininger schließlich nach Kriegsende eine Umgangsformel für Hamsun - und für die in der Kunst immer wieder auftauchende Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Werk und der Person eines Künstlers gleich mit. Und notiert erleichtert, er habe "mein Bild von der Galeasse ,Funtus' nicht weggeworfen". Offenbar hatte nicht viel gefehlt.

Anfang der 30er sieht er das drohende Unheil kommen. Auf dem Bild "Brennendes Schiff II" von 1932 schlagen gelbe Flammen aus dem Schiffsbauch, während die Mannschaften mit ihren Ruderbooten ringsum wie auf Sand stranden, nicht weiterzukommen, gleich doppelt verloren sind. Im selben Jahr verlässt T. Lux Feininger Deutschland, Jahre früher als sein Vater, dem dann nur noch mit Hilfe von Freunden die rettende Ausreise gelingt.

T. Lux geht zunächst nach Paris, wo er nicht recht heimisch wird. Er zieht weiter in die Vereinigten Staaten, wo die Feiningers ja ursprünglich herkamen. Dort rutscht er erstmal in eine persönliche Krise: "Wintertraum" aus dem Jahr 1937 lässt erahnen, wie gebeutelt der Künstler damals gewesen sein muss: Zusammengesunken, den Kopf wie abgeknickt, sitzt er selbst da in einem kahlen Kaminzimmer; neben einer erloschenen Kerze steht auf dem Kaminsims eine Uhr. Daneben - ein Schiffsmodell.

Deutlich in seiner Bedrücktheit auch das Bild "Quays of A.": Während Feininger seine Segler sonst stets über das Meer ziehen lässt, selbst wenn die Bedrohung in der Luft liegt, sich ihre Wege hart kreuzen und die Masten sich im nächsten Moment verhaken könnten: Diesmal verharren sie unbeweglich im Hafen, umgeben von Eis.

In dieser Zeit nähert T. Lux Feininger, der in Paris bewusst Abstand zu den Surrealisten hielt, sich dem Symbolfundus der Psychoanalyse an: "Rettungsringe" nennt er die dabei entstandenen Bilder. Da tauchen traumumwobene Frauengestalten auf, ehe sich in ersten Bildern eine neue Werkgruppe andeutet: Eisenbahnen. Und dann?

Die Kieler Ausstellung endet wie angekündigt mit vereinzelten Bildern aus dem Jahr 1942. Bis heute aber - so ist am Rande auf einer Tafel wie auch im Ausstellungskatalog zu erfahren - arbeite der Künstler in seinem Wohnort in Cambridge/Massachusetts gut gelaunt und unermüdlich an Gemälden und bemalten Holzschnitzereien; im Juni ist er 100 Jahre alt geworden.

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