SOZIALPOLITIK: Soziale Netze statt Einzelfallhilfe

Der Hamburger Sozialpolitiker Voges berichtete in Bremen darüber, wie es die Schwesterstadt schaffen will, zunehmenden Hilfebedarf ohne mehr Geld zu organisieren.

Betroffene fordern mehr Geld - die Großstädte stehen vor ähnlichen Problemen und arbeiten zusammen Bild: dpa

Die Kurven sind eindeutig: Die Ausgaben für soziale Sicherung steigen Jahr für Jahr, die Steuereinnahmen sind im Jahre 2009 heftig abgestürzt und die Finanzpolitiker hoffen, dass sie nach dem Jahre 2012 wieder das Niveau von 2008 erreichen. Das ist das Problem, das der Staatsrat des Sozialressorts in Hamburg, Michael Voges, gestern im Bremer Parlamentsausschuss "Föderalismusreform" vorgestellt hat. "Die Entwicklung ist in den meisten Großstädten so, wir haben kaum Bremer Besonderheiten", sagt der Bremer Staatsrat Joachim Schuster (SPD). Mal eben 100 Millionen Euro aus dem Sozialetat zu streichen, das gehe eben nicht, den Hamburger CDU-Sozialsenator beschäftigen die selben Probleme wie die Bremer Sozialbehörde.

Um rund zehn Prozent werden nach derzeitiger Prognose die Sozialausgaben bis 2014 steigen, in Hamburg sind es derzeit rund zwei Millionen, in Bremen 610.000 Euro. Die Mieten steigen, damit auch die Ausgaben für Wohnungshilfe, die Energiekosten steigen, der Altersdurchschnitt und damit auch die Gesundheitskosten für erwerbsunfähige ältere Menschen. Überall steigende Ausgaben - eine Kostenentwicklung, "die uns zu erdrücken droht", sagt der Hamburger Staatsrat. Es gehe daher darum, die Kostensteigerungen zu begrenzen.

Gerade die Hilfen zur Erziehung sind seit dem Jahre 2005 in Bremen - aber auch in Hamburg - drastisch angestiegen. Auch Hamburg hatte seine spektakulären "Fälle" von Kindesmisshandlung. Ob Familienhilfen aber wirksam sind, das wird kaum überprüft, sagt der Staatsrat. Hamburg will daher einen neuen Weg ausprobieren: Bevor ein einzelner Sozialarbeiter in eine Familie geschickt wird, soll in Zukunft geprüft werden, ob es nicht in dem Stadtteil Angebote gibt, zu denen man die Betroffenen schicken kann - "sozialräumliche Projekte". Das ist ein Modell, das auch in Bremen ausprobiert werden soll, derzeit wird noch ein passender Stadtteil dafür gesucht.

Auch bei anderen sparsamen Reform-Ideen waren die Bremer Experten über die Hamburger Sozialpolitik nicht überrascht: Seit einiger Zeit gibt es nämlich gemeinsame Arbeitsgruppen, in denen diese Fragen zwischen den Stadtstaaten beraten werden. Dass Pflegefamilien gesucht werden, um die sehr viel höheren Heimplätze zu sparen, das ist auch in Bremen Praxis, seit langem. In Hamburg hat man festgestellt, dass Heimunterbringung an entfernten Orten deutlich teurer ist als eine Unterbringung in der Stadt. In Zentrum der Überlegungen der Hamburger Sozialbehörde liegt auch die Schule.

"Das ist eine Einrichtung des sozialen Raumes", sagt Voges. Für alle Schulkinder bis zur sechsten Klasse soll in Hamburg eine Betreuung bis 16 Uhr angeboten werden - in der Schule. Finanziert werden soll das Angebot aus gesparten Hort-Ausgaben, und sinnvoll ist es allemal. "Hilfe zur Erziehung" könnte am Ende auch dort angebunden werden. Dafür, so bemerkte der Bremer Grüne Hermann Kuhn, müsse aber "Ressortdenken überwunden werden" - mehr Kooperation zwischen Schul- und Sozialbehörde wäre erforderlich.

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