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DVD "In the Electric Mist"Das Trockene und das Matschige

In Bertrand Taverniers "In the Electric Mist" versinken die Sümpfe im Bodennebel. Tommy Lee Jones durchquert sie als schweigsamer Mann mit den Fäusten am rechten Fleck.

Durchquert in Deutschland die Sümpfe leider nur im Heimkino: Tommy Lee Jones als Polizist Dave Robicheaux. Bild: dpa

Leichen tauchen auf in den Sümpfen von Lousiana, im Iberia Parish, ein gutes Stück abseits der Zivilisation. Dave Robicheaux ist der Polizeichef am Ort, trockener Alkoholiker, Melancholiker. Er ist der Serienheld der meist ziemlich großartigen Romane von James Lee Burke, und Tommy Lee Jones ist wie geschaffen, diesen schweigsamen Mann mit dem Herzen und auch den Fäusten am rechten Fleck zu verkörpern.

Überraschend ist also nicht, dass Tommy Lee Jones die Hauptrolle spielt, überraschend ist vielmehr der Regisseur: Bertrand Tavernier, gewiss ein in vielen Genres und Formen geübter, in Sachen Kinogeschichte außerordentlich beschlagener Mann. Einen Film wie "In the Electric Mist" jedoch, einen echten Krimi, in den Vereinigten Staaten gedreht, das gab es von ihm bisher nicht.

Wer von dieser Konstellation entweder eine schlicht-spannende Handwerksarbeit oder Südstaaten-Sozialrealismus erwartet hat, wird sicher enttäuscht sein. Beides bekommt man schon vom großen Atmosphäriker und Landschaftsbeschreiber und Vergangenheitsbeschwörer und immer leicht düsternistrunkenen Romanautor James Lee Burke nicht. Tavernier bleibt seiner Vorlage da mehr als nur treu. In eleganten Kamerafahrten geht es durch die Bodennebel der Sümpfe, aus denen alles Mögliche auftaucht, nur nichts Gutes. Hier schließt Polizeichef Robicheaux - das könnte aber auch was mit dem ihm verabreichten LSD zu tun haben - Bekanntschaft mit einem Vorfahren, der im Bürgerkrieg kämpfte.

Bewundernswert, aber auch wieder nichts für auf Eins-zu-eins-Wirklichkeitsabbildung abonnierte Geschmäcker, ist Taverniers und seiner Darsteller Behandlung der Charaktere: Mit Gusto werden die Figuren erst zum Klischee aus dem Kriminalrepertoire ausgehärtet und dann von Könnern wie John Goodman oder Ned Beatty zur Quasi-Mythe gemeißelt. Sehr freut man sich, wenn Robicheaux die Zuhältertype, die Goodman spielt, mit dem Baseballschläger am Ende dann wieder zu Matsch und Klump haut. "In the Electric Mist" ist auch ein Film über das Trockene und das Matschige, das Flüssige und das Feste.

Zwei Fälle sind es, in denen Robicheaux gleichzeitig ermittelt: Man findet die Leiche einer jungen Frau in den Sümpfen, die sich von der Prostitution Zugang zu höheren Kreisen versprach. Und ausgerechnet bei Dreharbeiten zu einem Bürgerkriegsfilm kommt eine viel ältere Geschichte ans Licht: Ein Schwarzer in Ketten, vor vier Jahrzehnten erschossen. Robicheaux lässt dieser Fall nicht ruhen. Er wühlt in der Vergangenheit und in den stillen Gewässern. All jene, die Dreck am Stecken und Leichen im Sumpf haben, trachten ihm bald nach dem Leben.

Ein Spannungsbogen als solcher interessiert Tavernier dabei wenig. In immer neuen Szenen gruppiert er seine Figuren zu in die Natur faszinierend hineingebetteten Memorialinstallationen. Die Kamera ist beweglich, die Bilder sind hinreißend. Marco Beltrami komponiert dazu einen Soundtrack von mal hinterhältig grollender, dann vorantreibender Perkussivität, der im scheinbaren Kontrast mit der Ruhe der Bilder Bedrohlichstes insinuiert. Für Comic Relief wiederum ist ein steuerlos durch sein Leben rasender Schauspielstar, von Peter Saarsgard gespielt, zuständig. Oder jedenfalls kann man das komisch finden, bis die Dinge dann auch hier eine sehr düstere Wendung nehmen.

Die Regie aber bleibt bei alledem geradezu unfassbar relaxt und verzieht, was auch immer geschieht, so wenig eine Miene wie Tommy Lee Jones, bei dem zwischen Zärtlichkeit und rasender Wut kaum ein einziger Muskel, der zuckt, Unterschiede markiert. Das einzig Enttäuschende an diesem wirklich großartigen Film ist seine Rezeption: In den USA kam nach Streit mit der Produktion nur eine gekürzte Fassung in die Kinos und blieb sehr erfolglos. In Deutschland bewies ausgerechnet die Berlinale guten Geschmack und zeigte das Meisterstück im Wettbewerb. Ein deutscher Verleiher fand sich dennoch nicht. So muss man sich den Film nun bei der DVD-Sichtung auf die große Leinwand, auf die er gehört, imaginieren.

Bertrand Tavernier: "In the Electric Mist". USA/Frankreich 2009, 117 Min., ab etwa 10 Euro im Handel

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3 Kommentare

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  • SQ
    Scream Queen

    Kurios: vor einer halben Stunde habe ich den Film gesehen - auf Blu-Ray, die so doll nicht aussieht; vor allem die Nachtszenen sind extrem körnig, und die deutschen Untertitel sind z. T. unter aller Kanone -, und jetzt finde ich hier diese abstruse Lobhudelei, die wirklich alles, was an "In the Elctric Mist" nicht stimmt - und das ist vieles - gesundbetet. Der Film ist schlicht sturzlangweilig, und das hat nichts mit Bruno de Keyzers gewohnt routinierter Kameraarbeit oder Bertrand Taverniers ziemlich fußlahmer Regie zu tun, sondern ausschließlich mit dem Drehbuch, das sich weder um die Aufklärung der beiden Fälle - wer, bitte, hat denn nun die Frauen umgebracht, und was genau hat es mit dem Mord von 1965 auf sich? - noch um die Figuren kümmert, und Letzteres ist das eigentliche Manko: Der Zuschauer erfährt praktisch nichts über die Charaktere und vermag folglich auch nicht das nötige Interesse für sie aufzubringen; vieles wird angerissen, nichts richtig ausgeführt, sodass den großartigen Schauspielern - Tommy Lee Jones (der mir in der ewiggleichen Rolle des alternden Cops. der alles gesehen hat und mit sämtlichen Wassern gewaschen ist, allmählich gehörig auf den Zeiger geht), John Goodman, Mary Steenburgen, Peter Sarsgaard, Kelly Macdonald, James Gammon, Pruitt Taylor Vince, Justina Machado etc. - letztlich nie Gelegenheit gegeben wird, ihr Potenzial zu entfalten. Von den peinlichen Auftritten dezidierter Nichtschauspieler wie Buddy Guy und dem bei Kubricks "The Shining" abgekupferten Schlusseffekt - der das ganze Unterfangen denn auch jeglicher Sinnhaftigkeit beraubt - zu schweigen. Gegen dieses halbgare Machwerk sind selbst die nicht besonders gelungenen Burke-Verfilmungen mit Alec Baldwin bzw. Will Patton wahre Meisterwerke. Finger weg.

  • TD
    Tyler Durden

    Eine angemessene Kritik, Respekt, für einen guten Film. Auch dass der Film in den USA kein Erfolg war, kann wohl kaum überraschen bei dem Bild Amerikas das er zeigt...

     

    PS: Warnung: Für Leute die Avatar ganz, ganz toll finden, ist der Film weniger geeignet...

  • H
    Hilde

    Ich fand den Film zum Einschlafen langweilig. Taverniers hat schon mal bessere Filme gemacht.