Klubbesitzer Berlusconi: Wirksames Wahlkampfgefährt

Ministerpräsident und AC Mailand-Besitzer Silvio Berlusconi zahlt viel, um das Fan- und Wahvolk zu betören. Seine "Geschenke" machen sich bezahlt.

Teuer erkaufte Sympathien: Die Transferpakete von Zlatan Ibrahimovic und Robinho kosteten Silvio Berlusconi 120 Millionen Euro. : reuters

Die Transfercoups des AC Mailand sind nicht allein sportlich motiviert. Sie helfen auch dem Politiker Silvio Berlusconi. Guido Westerwelle zog einst im gelb-blauen Guidomobil durch die Lande. Der italienische Ministerpräsident hat ein größeres, schöneres und wirksameres Wahlkampfgefährt. Es ist rot-schwarz gefärbt und heißt AC Milan. Den Besitzer hat es seit 1986 nach eigenen Angaben 1,1 Milliarden Euro gekostet. Zu dieser Summe kann man getrost die ca. 120 Millionen Euro, die für die jüngsten Verpflichtungen von Zlatan Ibrahimovic und Robinho geflossen sind, hinzuaddieren. Das ist viel Geld. Allerdings auch gut angelegtes Geld. Denn es sichert Zustimmung bei Fanvolk und Wahlvolk.

Beim Trainingsauftakt des AC Mailand in diesem Sommer protestierten die Fans noch mit Feuerwerkskörpern und Transparenten gegen die schleppende Einkaufspolitik des Vereins. Sie wollten neue Idole, um die Lücke zu den feindlichen Vettern von Inter Mailand zu schließen. Weil dies nicht geschah, protestierten sie und hielten sich auch beim Kauf der Saisontickets zurück. Nur 16.000 statt der 28.000 Abos des Vorjahres wurden erworben.

Prompt änderte Berlusconi seine Strategie. Hatte er im Vorjahr angesichts der Finanzkrise noch erklärt, dass beim Gürtel-enger-Schnallen auch die Fußballklubs keine Ausnahme machen dürften, so zückte er jetzt sein Portemonnaie. Als "Geschenke Berlusconis" bezeichnete Vizepräsident Adriano Galliani die beiden prominenten Neuzugänge. Die Geschenke machen sich bezahlt. Zum Saisonauftakt wehten Dankes-Transparente im Stadion. Die Abo-Zahlen streben inzwischen der 24.000-Marke entgegen. Um der Operation den offensichtlichen Mammon-Charakter zu nehmen, ließ sich der Milan-Angestellte Andrea Pirlo aus dem Trainingslager der Nationalmannschaft mit den Worten vernehmen: "Bei Berlusconi ist die Leidenschaft wieder zurückgekehrt. Er ist uns nah wie lange nicht mehr." Toll.

Pech nur: Diese Nähe ist anrüchig. In Italien verbietet ein Gesetz zur Vermeidung von Interessenskonflikten Regierungsmitgliedern, aktiv in die Geschäftspolitik ihrer Unternehmen einzugreifen. Deshalb trat Berlusconi im Jahre 2004 als Milan-Präsident zurück. "Geschenke" zu verteilen, die die Kraftverhältnisse in der Serie A und auch der Champions League definitiv ändern, zählt aber offenbar nicht als Geschäft.

Die Gazzetta dello Sport machte darauf aufmerksam, dass auch der Politiker Berlusconi von den Großeinkäufen des Fußballmagnaten Berlusconi profitiert. Auf einer Wahlkampfveranstaltung zu den Parlamentswahlen 2008 kündigte er offiziell das Werben um das brasilianische Kickeridol Ronaldinho an. Die leichtfüßige Eleganz, mit der der zweimalige Weltfußballer des Jahres seine Gegner zu umdribbeln pflegte, sollte in den Köpfen seiner Anhänger eine heitere Zuversicht auslösen. Nach dem Wahlsieg kam Ronaldinho.

Im Januar 2009, als Berlusconis Popularität im Sinken war, wurde am Sitz des AC Mailand das Rührstück um den erst von den Millionen des Scheichs Mansour bin Zayed al-Nahyan zu Manchester City gelockten und dann unter Tränen doch in der Lombardei gebliebenen Kakà inszeniert. Im Sommer, als ein Wahlsieg der Berlusconi-Partei bei den Europawahlen absehbar war, wurde Kakà ohne viel Federlesens zu Real Madrid verkauft. Als die Rechten bei den Regionalwahlen 2002 an Boden verloren, kam der frisch gebackene Weltmeister Rivaldo. Berlusconis Umfragewerte gingen wieder nach oben.

Momentan leidet sein Ansehen erneut. Italien steuert wegen der Regierungskrise - ausgelöst durch einige Gesetzesänderungen, die Berlusconi Strafimmunität zusichern würden - auf Neuwahlen zu. Vor allem im Norden, also dort, wo viele Milanista ihren Wohnsitz haben, droht die Lega Nord stärkste Partei zu werden. Mit den Millionen für Ibrahimovic und Robinho will Berlusconi das Ruder noch einmal herumreißen.

Egal wie gut oder schlecht die beiden sich in das Konzert der launischen Milan-Stars einreihen, werden Schlagzeilen über sie auch künftig mehr Raum einnehmen als die Berichterstattung über den Bestechungsprozess, in dem Berlusconi vielleicht schon in diesem Herbst aussagen muss. Der neue Traumsturm ist eine wahre Allzweckwaffe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.