Restlaufzeiten: Und Brokdorf strahlt auf ewig

Die Berliner Atombeschlüsse lassen auch norddeutsche Atommeiler länger am Netz. Zwei davon könnten vorzeitig abgeschaltet werden, damit die anderen vier noch 20 Jahre strahlen dürfen.

Gehört zu den lukrativsten AKW: Brokdorf. Bild: dpa

Tuomo Hataka ist nicht unzufrieden. Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke, wie sie die schwarz-gelbe Bundesregierung im Grundsatz beschlossen hat, hält der Deutschland-Chef des Energiekonzerns Vattenfall für "begrüßenswert". Damit sei "die Wirtschaftlichkeit und Klimaverträglichkeit der deutschen Energieversorgung für weitere Jahre gesichert".

Für die beiden schleswig-holsteinischen Vattenfall-Meiler Brunsbüttel und Krümmel bedeutet der Berliner Beschluss zusätzliche acht beziehungsweise 14 Jahre Laufzeit. Diese "politische Entscheidung müssen wir akzeptieren", versichert Hataka. Jedoch werde noch "geprüft, welche konkreten Auswirkungen dies haben wird".

Damit deutet der Chef des drittgrößten deutschen Energiekonzerns an, dass Strommengen von Brunsbüttel auf das AKW Brokdorf übertragen werden könnten, das nicht Vattenfall, sondern Eon gehört. Das produktivste Atomkraftwerk in Deutschland könnte dann noch für mehr als zwei weitere Jahrzehnte strahlen.

Für die sechs Atomkraftwerke in Norddeutschland bedeuten die Pläne der Bundesregierung folgende Laufzeiten:

- Emsland: 2034 statt 2020

- Brokdorf: 2033 statt 2020

- Krümmel: 2033 statt 2016*

- Grohnde: 2032 statt 2018

- Unterweser: 2020 statt 2012

- Brunsbüttel: 2020 statt 2008*

* Krümmel und Brunsbüttel sind wegen Pannen seit 2007 außer Betrieb, der Termin des Wiederanfahrens steht nicht fest. Ihre Restlaufzeit verlängert sich um die Dauer der Unterbrechung.

Das AKW Stade wurde nach dem Atomkonsens vorzeitig bereits am 14. November 2003 abgeschaltet statt im Sommer 2004. Seine Reststrommenge wurde auf den lukrativeren Reaktor Brokdorf übertragen und verlängert dessen Betrieb um etwa vier Monate.

Ähnlich könnten die Konzerne Eon und RWE in Niedersachsen verfahren. Denkbar ist eine frühere Abschaltung des AKW Unterweser zugunsten der Reaktoren Emsland oder Grohnde. Aus Betreibersicht zählen die Alt-Reaktoren Brunsbüttel und Unterweser zur Kategorie I der wenig wirtschaftlichen Kraftwerke. Krümmel ist in Kategorie II, im dritten Topf der lukrativsten Meiler sind Brokdorf, Emsland und Grohnde.

Die deutlichste Ablehnung der Atombeschlüsse der Bundesregierung kommt aus dem AKW-freien Stadtstaat Bremen. "Die Entscheidung ist nicht akzeptabel", stellte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) fest. "Notfalls gehen wir vor das Bundesverfassungsgericht." Das rot-grün regierte Bremen sei "wegen der Nähe zum AKW Unterweser direkt betroffen".

Neben Bremen geht auch Hamburg auf Konfrontationskurs mit dem Bund - Grünen-Chefin Katharina Fegebank spricht von einem "Einknicken vor der Atomlobby". Im schwarz-gelb regierten Niedersachsen kritisiert nur die Opposition die Berliner Beschlüsse, im ebenfalls schwarz-gelb regierten Schleswig-Holstein dagegen hält es der parteilose Justiz-und Atomminister Emil Schmalfuß "für falsch, auch alten, störanfälligen Kernkraftwerken eine pauschale Verlängerung der Laufzeiten zuzusprechen". Wegen der Erfahrungen mit den Atommeilern Brunsbüttel und Krümmel, die seit 2007 für Reparaturen stillstehen, hätte die Kieler Landesregierung "dies wiederholt abgelehnt", so Schmalfuß.

Am vorigen Samstag wurde das AKW Brokdorf für einige Stunden für eine routinemäßige Überprüfung heruntergefahren. "Schleswig-Holstein ist endlich AKW-frei", jubelte daraufhin die linke Landtagsabgeordnete Ranka Prante. Das war ein bisschen voreilig.

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