Klimawandel: Ruhe vor dem Sturm

Der Küstenschutz an der Nordsee ist noch bis 2030 ausreichend. Was danach kommt, weiß keiner. Der Unterlauf der Elbe wird renaturiert, um Ebbe und Flut zu bremsen.

Gute Prognose ermöglicht rechtzeitige Flucht: Schafe auf einer meerumtosten Hallig. Bild: dpa

Der Klimawandel hat sich bisher kaum auf die Nordseesturmfluten ausgewirkt. "Bis 2030 ist der derzeitige Küstenschutz an der Nordsee fast genauso wirksam wie heute", sagte Hans von Storch vom GKSS-Forschungszentrum Geesthacht auf einem Sturmflut-Kongress in Hamburg. Zum Ende des Jahrhunderts hin könne sich das jedoch ändern. Dann könnten Sturmfluten 30 bis 110 Zentimeter höher auflaufen als heute.

Den Kongress hat das GKSS zusammen mit dem Klima-Campus der Universität organisiert. Noch bis Freitag diskutieren 200 WissenschaftlerInnen darüber, wie der Klimawandel und die immer dichtere Besiedlung der Küsten das Risiko von Flutkatastrophen erhöhen wird, und wie dem begegnet werden kann.

"Jüngste Schätzungen der OECD gehen davon aus, dass sich bis 2070 das Risiko, von einer Jahrhundertflut getroffen zu werden, für die großen Hafenstädte vervielfachen wird", sagte Robert Nicholls von der Universität Southampton. Verschärft werde das Problem durch die Ausbeutung von Rohstoffen in den Deltas, die den Boden absinken lasse. Dazu komme der verstärkte Transport von Sedimenten stromaufwärts, der den Deltas ihre Pufferwirkung nehme.

Damit eine schwere Sturmflut entsteht, müssen mehrere Faktoren zusammenkommen.

Schlimmstenfalls verstärkt der Sturm eine besonders hoch auflaufende Flut, etwa bei Vollmond, kombiniert mit einer Fernwelle und das senkrecht zum Deich oder zum Querschnitt des Mündungstrichters.

Die Vorhersage ist deshalb schwierig. Ein bis zwei Tage im Voraus kann prognostiziert werden, ob eine kritische Situation entstehen könnte.

Auch die Hamburg Port Authority (HPA) hat nach der jüngsten Elbvertiefung von 1999 feststellen müssen, dass plötzlich ein Vielfaches der bisher üblichen Sedimentmenge stromaufwärts geschwemmt wurde und ausgebaggert werden musste. Weil das System Elbe erkennbar aus dem Gleichgewicht geraten ist, plant die Hafenbehörde Gegenmaßnahmen: Sie will die Sandbänke in der Elbmündung verstärken, neue Überflutungsräume schaffen und den ausgebaggerten Sand und Schlick geschickter im Strom verteilen.

Dieses "Tideelbe-Konzept" ist ein Beispiel dafür, dass sich weit entwickelte Länder leichter tun, sich den Veränderungen des Meeres anzupassen. Das geht bis hin zum akuten Umgang mit Sturmfluten: präzisen Prognosen,der rechtzeitigen Warnung, einer koordinierten Abwehr und Evakuierungen.

Auch an der Nordsee stellen sich die Deichbauer auf einen weiteren Meeresspiegelanstieg ein. In den letzten 100 Jahren hat sich das Niveau der Nordsee um 20 Zentimeter gehoben. Ob und in welchem Maß das so weitergehen wird, ist offen. "Die Deichplanung der letzten 150 Jahre hat immer schon einen steigenden Wasserspiegel berücksichtigt", sagte Olaf Müller vom Hamburgischen Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer. Die Sturmfluten an der Nordseeküste sind nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in den letzten Jahrzehnten weder häufiger noch schwerer geworden.

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