Kolumne Blagen: Der Zimmerservice blökt nicht mehr

Snoozen, motzen, streiken – wie die Tochter und wir den Zauber des Frühaufstehens erleben.

Krawumm! knallt die Haustür ins Schloss. Es ist noch früh, und der Tag hat schon eine üble Wunde. Eine, die sich anfühlt wie ein suppendes Knie, auf dem kein Pflaster hält.

Es ist so, dass wir den Zimmerservice eingeschränkt haben. Bis vor kurzem war es üblich, dass die mit uns unter einem Dach wohnende angehende Abiturientin außer dem Schnittchenservice auch unseren Weckdienst in Anspruch nehmen durfte. Das hieß für den Vater und mich, dreißig Minuten vor ihr aufzustehen, uns halbtot in die Küche zu schleppen, dort diverse Toasts zu belegen, ansprechend zu garnieren und einzutuppern - und dabei in regelmäßigen Abstände über den Flur zu blöken. Unser Text war denkbar kurz: AUFSTEHEN!

In den letzten Monaten waren die Reaktionen darauf immer schwächer geworden. Hatte die Einssechzigblondine anfangs noch vor sich hingemault, um kurz darauf das Badezimmer zu entern, war irgendwann kein Mucks mehr zu vernehmen. Im Fünfminutentakt hörten wir ihren Wecker piepen, den sie mittels Snooze-Taste zum Schweigen brachte. Leises Schnarchen war für den Vater und mich das Signal, persönlich am Bett der Spätaufsteherin zu erscheinen und Sätze vorzutragen, in denen die Wörter bald, spät und Schule vorkamen. Zum Dank wurden wir von der so Angesprochenen angefahren: Ja Mann, geh aus meinem Zimmer!

Oho, dachten der Vater und ich, das ginge sicher besser. Oder: gar nicht. Die Dame wird nächstes Jahr volljährig, sie kann dann wählen, Auto fahren, Schulden machen oder Swingerklubs besuchen - da wird sie doch selbstständig aufstehen können. So teilten wir ihr also mit, dass der Zimmerservice ab sofort nur noch die Toasts beinhaltet und wir sie gnadenlos verschlafen lassen, wenn sie ihren Körper nicht selbstständig in die Senkrechte bringt. Ein letztes Mal versuchte sie, uns zu verpflichten, weiter im Snoozetakt an ihrer Bettkante zu erscheinen - aber wir lehnten ab. Schon allein die Stimmung, die sie da jeden Morgen verbreitete, wollten wir nicht länger ertragen.

Seitdem verschläft sie Tag für Tag. Wir reißen uns zusammen, sie nicht doch persönlich zu wecken. Statt dessen klappern wir laut mit dem Espressokocher und drehen das Radio auf, aber nichts scheint so wirkungsvoll zu sein wie unser frühmorgendliches Blöken.

Irgendwann, viel zu spät, stürzt sie aus ihrem Zimmer. Gruß- und blicklos rafft sie die Schnittchen ins Handtäschchen. Und dann, krawumm!, knallt die Tür. Weg ist sie. Auf seine unnachahmliche Art möchte uns unser Kind sagen, dass wir Eltern sind, die ihre Verantwortung ihr gegenüber nur unzureichend wahrnehmen. Wo gibt's denn so was, dass der Weckdienst sich nicht anpöbeln lässt - das gehört bei Servicekräften doch zur Stellenbeschreibung.

Vierzehn Tage geht das nun so. Beim Abendessen erklären wir der Einssechzigblondine geduldig, dass pünktliches Aufstehen zur Menschwerdung gehört und wir im Grunde ihre pädagogischen Förderer sind. Wir fragen, warum sie nicht einfach ihren Wecker rechtzeitig stellt und so im Zimmer drapiert, dass sie aus den Federn muss, um ihn zu killen. Die Antwort ist so süß wie doof: Nee Mann, dann müsste ich ja früher aufstehen. Jaa Mann, sagen wir, das wäre logisch. Aber Logik wird an Oberschulen offenbar unterrichtet, bevor die Zuspätkommer dort eintreffen.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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