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WeiterbildungModellprojekt für Migranten

Die Handwerkskammer stellt sich auf den Arbeitskräftemangel ein. Sie bereitet Einwanderer ohne hierzulande gültige Berufsqualifizierung auf den Markt vor.

Wer sich verständigen kann, hat größere Chancen, einen Job zu finden: Deutschkurs für MigrantInnen. Bild: dpa

Die Handwerkskammer will ein brach liegendes Arbeitskräftepotenzial heben. In einem Modellprojekt bereitet ihr Kompetenzzentrum Elbcampus in Harburg Einwanderer ohne Berufsabschluss auf den Arbeitsmarkt vor. Ziel sei es, die Menschen in sozialversicherungspflichtige Jobs zu bringen, sagt Heinrich Rabeling, Leiter des Elbcampus. Zugleich begegne die Kammer damit einem Problem, das sich immer stärker bemerkbar mache: dem Fachkräftemangel.

In Deutschland wie in fast allen Industrieländern sinkt der Anteil junger Menschen an der Bevölkerung rapide. Im Hamburger Handwerk mit seinen 130.000 Beschäftigten stünden 5.000 Handwerkern, die jährlich in Rente gingen, nur 2.500 neue Gesellen gegenüber, rechnet Rabeling vor. In jedem Jahr könnten 2.000 bis 3.000 Lehrstellen nicht besetzt werden - und das obwohl die Metropole junge Leute aus dem Umland ansaugt.

Bei der Suche nach Möglichkeiten, dieses Defizit auszugleichen, geriet der Kammer die lange vernachlässigte Gruppe der "Menschen mit Migrationshintergrund" in den Blick: Gut ein Viertel aller Hamburger stammt aus Einwandererfamilien. Nach einer offiziellen bundesweiten Erhebung hat fast die Hälfte der Menschen aus dieser Gruppe keinen hier anerkannten Berufsabschluss.

Das Modellprojekt versucht diese Menschen zu unterstützen, so dass sie an einem regulären Weiterbildungskurs der Handwerkskammer teilnehmen können: Die Migranten lernen Deutsch, sie lernen das Lernen und werden in dem späteren Qualifizierungskurs von einem Coach begleitet.

"Das Besondere ist, dass wir direkt Migranten ansprechen, deren Qualifikation erfassen und dann schauen, in welche Kurse sie am besten passen", sagt die Projektleiterin Canan Yildirim. Der Elbcampus bilde dabei nicht auf Vorrat aus, sondern orientiere sich am Bedarf der Unternehmen. "In der Regel ist der Arbeitsplatz bereits da, wenn der Kurs beginnt", sagt Yildirim. Die Unternehmen suchten Fachkräfte für den Umgang mit glasfaserverstärktem Kunststoff, für die Wartung und Reparatur von Aufzügen und Windkraftanlagen, Schweißer und Logistiker im Gesundheitswesen.

Einen solchen Job hat die gebürtige Perserin Ladan Modaraci bei Asklepios gefunden. Bei dem Betreiber der ehemals städtischen Krankenhäuser waren viele Stellen frei geworden, nachdem viele seiner Beschäftigten ihr Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst wahrgenommen hatten. Modaraci hat in Hamburg Medizintechnik studiert, nach dem Abschluss aber ihr Kind erzogen, so dass sie den Anschluss an die Berufswelt verlor. Nach einem Kurs im Elbcampus ist sie jetzt als Vorarbeiterin in der Warenzentrale des Klinikums Altona beschäftigt. Alles, was in die Klinik geliefert wird oder sie verlässt, wird hier erfasst: von der Blutprobe bis zum Computertomografen.

Die Kurse sollen zunächst vor allem durch Bildungsgutscheine der Arbeitsagentur finanziert werden. Wegen des Fachkräftemangels werde sich das aber bald ändern, prognostiziert Elbcampus-Leiter Rabeling: "In fünf Jahren werden die Arbeitgeber die Auftraggeber sein.

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1 Kommentar

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  • J
    Jörg

    Nur wo Kopftuch draufsteht, kann auch MigrantIn drinsein - oder was?

     

    Kann eure Bildredaktion nicht die ganzen Klischees in die Tonne treten und mal bei einem Artikel zu Menschen, deren (Ur-)Großeltern keine deutschen Nazis waren, anders illustrieren als mit verkopftuchten Frauen und einzig schwarzhaarigen jungen Männern? Ebenso wenig angemessen ist es natürlich, Berichterstattung zu ALG II mit dicken Frauen und rosa gekleideten Kindern zu bebildern.

     

    Als der Migrant der 14. Generation (Sarrazin) seine rassistischen Ausfälle veröffentlichte, distanziertet ihr euch (meist), doch mit diesen Klischeebildern greift ihr eine ähnliche Stimmung auf. Es sind nicht nur die selbsternannten Tabu-BrecherInnen, die ekeln, sondern auch diejenigen, die an den Rändern schlicht mitschwimmen.