AUFGEKLEBT UND ABGEMAHNT: Privatisierte Öffentlichkeit

Während Bremen bald noch mehr Geld mit seinen Werbeflächen verdient, klagt eine Initiative über zunehmende Drangsalierung und fordert freies Plakatieren ein.

Plakatwerbung ist eine vielschichtige Angelegenheit. Bild: Jan Zier

VON JAN ZIER

Für die einen sind sie ein gutes Geschäft. Für die anderen sind sie die einzige Chance, überhaupt auf sich aufmerksam zu machen. Plakate auf Mülleimern und Häuserwänden, Stromkästen und Brücken, Verteilerhäuschen und Absperrungen. Die einen verkaufen dafür - im Auftrag des Staates - den öffentlichen Raum in Bremen. Und die anderen fordern genau den jetzt wieder zurück.

"In den Untergeschossen der Kulturproduktion sind selbst produzierte Flyer, Aufkleber und Plakate das günstigste, effektivste, und mangels anderer Ressourcen oft das einzige Mittel, um die eigenen Aktivitäten bekannt zu machen", heißt es in einem Papier der Bremer Projektgruppe "city.crime.control". Sie macht sich unter dem Titel "Die Stadt der kreativen Privatisierung" dafür stark, freies Plakatieren "als öffentliche Kommunikation" überall dort in der Stadt zuzulassen, wo öffentliche Flächen "keinen Mehrwert" haben, wie Ulf Treger von "city.crime.control" sagt. Also etwa auf Stromkästen. Das Problem: Wildplakatieren ist in Bremen grundsätzlich verboten, schon seitdem 1997 Bernd Schulte (CDU) noch Bausenator war.

Nur das Viertel ist noch so eine Art Insel der Glückseligen, dort gebe es "keine Auflagen" für Plakatierer - heißt es zumindest bei der ehemals kommunalen, heute zur Ströer AG gehörende Deutschen Städte Medien (DSM), die derzeit noch Bremens Werbeflächen vermarktet. Bei "city.crime.control" sieht man das anders: Unlängst sei ein Projekt abgemahnt worden, weil es im Viertel, unweit des Römers, Plakate geklebt hatte. Streitwert: 15.000 Euro. Eine Summe, die für meisten Projekte "existenzgefährdend" sei, so die Initiative.

Und: Solche Verfahren nehmen zu, sagt Treger. Die DSM widerspricht an dieser Stelle: Sowas käme nur "ein paar Mal" im Jahr vor, sagt eine Firmensprecherin, "Tendenz: gleich bleibend". 2004 sprach man bei der DSM von 20, 30 Unterlassungserklärungen, die pro Jahr an Wildplakatierer versandt würden. Treger findet dieses Procerede "rechtlich fragwürdig". Denn mangels konkreten Beweisen würden einfach die VeranstalterInnen als "ideelle Geistesbrüder" haftbar gemacht - egal, wer genau ein Plakat produziert und aufgehängt hat. Bei DSM weist man indes jede Verantwortung von sich: Zu Abmahnungen sei man "von der Stadt vertraglich verpflichtet worden", sagt die Firmensprecherin.

Ab dem kommenden Jahr wird die Telekom mit Bremens Werbeflächen Geld verdienen - 3,9 Millionen Euro bekommt die Stadt dafür im Gegenzug, pro Jahr, plus Umsatzbeteiligung. Statt wie bisher 1.280 werden künftig aber nur noch 1.100 Flächen buchbar sein, 454 sollen zudem vergünstigter Kulturwerbung vorbehalten werden. So etwas gibt es zwar heute auch schon: Doch für ein Plakat auf der so genannten "Kultursäule" vor dem Bahnhof werden 30 Euro pro Tag berechnet, auch anderswo in der Stadt kostet ein Plakat auf einer Litfaßsäule mindestens 66 Cent pro Tag, plus Druck, versteht sich. Für viele freie No- oder Low-Budget-Projekte sei das nicht zu bezahlen, sagt Treger.

Doch "city.crime.control" will ohnehin mehr "als ein paar armselige Reservate für ,Kulturplakate'". Sie fordert die Stadt auf, sich völlig von dem "Konzept der Privatisierung und Vermarktung" von Plakatflächen zu verabschieden - und spricht von "Enteignung". Hier werde Öffentlichkeit "von einem Unternehmen verwaltet, das keiner direkten demokratischen Einflussnahme mehr unterliegt". Und das wird vorerst auch so bleiben: Der Werbeflächen-Vertrag mit der Telekom läuft noch bis zum Jahr 2026.

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