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Erfolgsautor Franzen über sein neues BuchWohlfühlnachmittag mit Jonathan

Das Renaissance-Theater war ausverkauft. Intelligent, eloquent, gelassen und humorvoll stellte der amerikanischen Erfolgsautor Jonathan Franzen seinen Roman "Freiheit" vor

Jonathan Franzen ist einer der wenigen Schriftsteller, die es auf das Cover des Time-Magazins geschafft haben Bild: dpa

Normalerweise sitzen ja bei einer Lesung, wenn ein Autor fremder Zunge zu Gast ist, mindestens drei Leute auf der Bühne. Außer dem Autor nämlich noch eine Person, die aus der deutschen Übersetzung liest, sowie eine Person, die das Event moderieren muss. Bei Jonathan Franzen aber geht das anders, denn der Mann kann hervorragend Deutsch. Und er liest bei seiner momentanen Buchvorstellungstournee durch die Republik sogar in dieser unserer Sprache vor, die er gelernt hat, als er einst in München studierte. Nur sehr leises Murren einer anglophilen Minderheit mischt sich in den dankbaren Beifall, der die Ankündigung des Moderators Wieland Freund beantwortet, der Autor werde Deutsch lesen.

Das Renaissance-Theater, in dem die offizielle Berlinpremiere von Franzens in den Feuilletons schon vor Wochen breit besprochenem Roman "Freiheit" (taz vom 8. 9.) stattfindet, ist ausverkauft. Viele, viele Köpfe, darunter so einige Grauköpfe, sind eng an eng geschichtet im Gestühl, das für eine untergewichtige, kleinwüchsige Generation gebaut wurde, die von Beinfreiheit noch nicht viel hielt. Manche balancieren konzentriert Franzens Romans auf den Knien, studieren offenbar vor der Lesung noch Stellen, die ihnen aufgefallen sind, vielleicht in der Hoffnung, anschließend etwas Kluges fragen zu dürfen. Die Stimmung summt vor gespannter Erwartung, es ist geradezu festlich.

Als Franzen dann auf die Bühne kommt, die der Anmoderator bescheiden für den Autor geräumt hat, dauert es nicht lange, bis die Erwartung umschlägt in eine grundentspannte Wohlfühlatmosphäre. Franzen sitzt so ungezwungen da an dem kleinen Tisch mit den geschwungenen Beinchen und plaudert, als säße er im heimischen Wohnzimmer und habe gerade ein paar gute alte Freunde zu Besuch. Da er schon lange versprochen hat, ihnen etwas vorzulesen, möchte er es jetzt auch besonders gut tun.

Er schickt die Warnung voraus, dieses Auf-Deutsch-Lesen sei ja so ein bisschen, als wenn ein Hund auf dem Fahrrad säße. Es sei so spannend, darauf zu warten, wann er herunterfiele. Doch natürlich wird es den Hund auch an diesem Tag nicht aus dem Sattel heben. Lediglich über Komposita wie "Grauzonenvergewaltigung" und "Pecannusseiscreme" stolpert die Zunge des Amerikaners, der es im Übrigen vergisst, die verdienten ÜbersetzerInnen Bettina Abarbanell und Eike Schönfeld zu erwähnen, deren deutsche Fassung seines Romans er immerhin so selbstverständlich vorträgt, als habe er selbst ihn nie anders geschrieben. Zum fünften Mal habe er dieses Kapitel jetzt vorgelesen, wird er im Anschluss noch verraten, daher ginge es mittlerweile schon richtig gut. Und in der Tat geht es richtig gut. Franzen liest das zweite Kapitel, einen Teil der Autobiografie von Patty Berglund, der weiblichen Hauptperson von "Freiheit".

Es handelt davon, wie Patty, nachdem sie als Siebzehnjährige auf einer Party vergewaltigt wurde, vergeblich Rat bei ihren Eltern sucht, die mit den Eltern des Täters gut befreundet sind. Es ist ein Kapitel, das trotz der ernsten Ausgangssituation viele humoristische Elemente bereithält, insbesondere in der Charakterisierung von Pattys Mutter Joyce, die Franzen in den Dialogszenen zwischen Mutter und Tochter genüsslich mit säuselnder Altstimme gibt, während sein natürlich gewachsener Bariton Pattys Repliken vorbehalten bleibt.

Der resultierende Verfremdungseffekt unterstreicht den schwarzen Humor der Passage. "Oh, das ist gut - Sie lachen!", unterbricht Franzen sein Lesen, als er merkt, dass das Publikum beginnt, sich ernsthaft zu amüsieren. Spätestens an dieser Stelle ist klar, dass er nur dafür gekommen ist. Er liest, wir lachen, anschließend macht man die Lichter an und unterhält sich noch ein wenig durch den Saal, und als eine ältere Dame den Fehler macht, gerade dann aufzustehen und zu gehen, als Franzen dabei ist, der jungen Dame neben ihr Antwort auf eine Frage zu geben, da folgen ihr, so gut verstehen wir uns schon alle, fünfhundert ungläubige Augenpaare und ein schallendes Gelächter aus fünfhundert Kehlen.

Hätte es noch Tee und Kekse gegeben, so wäre der Wohlfühlnachmittag vollends perfekt gewesen. Man hätte das Publikum gar nicht vorsorglich darauf hinweisen müssen, dass der Autor im Anschluss an die Veranstaltung ausschließlich Bücher signieren werde, aber keine anderen mitgeführten Papiere. Sicher hat die Buchhandelskette, die die Lesung organisiert hat, ihre Unkosten schnell wieder hereinbekommen. Denn von dieser Aura aus Intelligenz, Eloquenz, Gelassenheit und Humor, die dieser Ami da ausstrahlt, möchte man sich doch nur allzu gern ein bisschen was mit nach Hause nehmen. Und sei es als Buchkonserve.

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