piwik no script img

Ehren-Oscar für Jean-Luc GodardSohn von Marx und Coca-Cola

Jean-Luc Godard erhält den Ehren-Oscar, geht jedoch nicht zur Preisverleihung. Damit bleibt der 79-Jährige sich treu. Hollywood hat er eh gegen sich aufgebracht.

Regiesuperstar in den Sechzigern: Jean-Luc Godard. Bild: dpa

Stell dir vor, es ist Oscar, und es geht einer nicht hin, der ihn kriegt. Voilà, Jean-Luc Godard. Da ringt sich die Akademie durch, einem Mann, der in vieler Hinsicht ein Antipode Hollywoods ist, den Ehren-Oscar zu geben. Und dann das. Der 79-Jährige dankt freundlich, preist seine Mit-Oscarträger, den Filmhistoriker Kevin Brownlow, den Schauspieler Eli Wallach und den Kollegen Francis Ford Coppola, verlässt sein Schweizer Domizil aber nicht.

Er hat recht, doppelt und dreifach. Denn der Ehrenoscar war immer schon nur ein Trostpreis, oft genug für verdiente Leute, die leer ausgegangen waren bis dahin; und erst recht, weil der Fernsehquote wegen die Trophäe seit einiger Zeit nicht mehr bei der offiziellen Verleihungszeremonie vergeben wird, sondern bei einem Dinner im Vorfeld.

Vor allem aber hat Jean-Luc Godard mit Hollywood nichts zu schaffen. Das war einmal anders. Vor mehr als fünfzig Jahren waren Godard und die Nouvelle Vague als Verteidiger von Hitchcock und Hawks (und ein paar anderen) gegen deren Verächter unter den Verehrern des Kinos angetreten.

Im klassischen, scheinbar streng reglementierten Studiosystem Hollywoods spürte man Autorenhandschriften auf und verarbeitete das gesammelte Wissen ins rasch entstehende, revolutionäre eigene Werk. Godard war unter den Mitstreitern immer der wendigste, hochvirtuos, stets "Außer Atem", ein Kind von Marx und Coca-Cola und dann auch von Mao.

Regiesuperstar in den Sechzigern, abgetaucht ins Obskure in den Siebzigern, wieder aufgetaucht als Klassiker seiner eigenen Avantgarde in den Achtzigern; kontinuierlich seither das eigene Werk fortschreibend, auf Video, auf Film, immer ferner vom sich seinerseits entfernenden Mainstream diesseits und jenseits des Atlantik. Ein Hollywood, dessen Inbegriff Steven Spielberg ist, verfolgt Godard nur noch mit Hass.

Mit seinem jüngsten Werk, "Film Socialisme", einer hermetischen Schifffahrt durchs eigene Zeichensystem, hat er zuletzt in Cannes viele gegen sich aufgebracht. Godard dreht heute, weil die Verhältnisse so sind, radikal vieldeutige Filme für den sich immer enger schließenden Kreis seines Publikums. Hollywood macht es umgekehrt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!