OBDUKTIONSPFLICHT: Obduktion bleibt umstritten

Auch nach einer Anhörung kritisieren FDP und Kinderschutzbund die geplante Zwangsuntersuchung der Leichen von Kindern mit ungeklärter Todesursache

Kindergräber: ein Ermittlungsfeld für die Rechtsmediziner? Bild: dpa

Das Thema scheint vielen Abgeordneten so heikel, dass einfache Mehrheiten hier nicht reichen. "Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Einigkeit erzielen könnten," sagte Insa Peters-Rehwinkel (SPD), die stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses. Der beschäftigte sich gestern mit der geplanten Obduktionspflicht bei Kindern mit ungeklärter Todesursache. Doch die Liberalen blieben hart: "Wir sind in der Frage nach wie vor sehr skeptisch," sagte der FDP-Rechtspolitiker Oliver Möllenstädt. Das neue "Gesetze über das Leichenwesen" dürfte dennoch kommen - denn alle anderen Fraktionen sind grundsätzlich dafür.

Als eine der Konsequenzen aus dem Kevin-Fall hatte das Gesundheitsressort einen Gesetzentwurf eingebracht, der vorsieht, dass die Leichen von Kindern bis zum Alter von sechs Jahren grundsätzlich obduziert werden, wenn die Todesursache nicht eindeutig feststeht. Als eindeutig gelten dabei nur Ursachen wie Leukämie oder ein Verkehrsunfall. Die Eltern sollen die Obduktion gerichtlich überprüfen lassen können. Bisher kann nur ein Staatsanwalt eine Obduktion anordnen, wenn es einen Verdacht gibt. Doch bestimmte Formen von Gewalt, etwa das "Schütteltrauma", können ohne Obduktion nicht erkannt werden - und gleichwohl zum Tod führen.

Im September gab es eine öffentliche Anhörung zu dem Thema. Doch auch danach, so sagte Möllenstädt gestern, würde eine Obduktionspflicht die Eltern der toten Kinder "unter Generalverdacht stellen". Er sei "erstaunt, dass die FDP ihre Position nicht ändert," kritisierte der Grüne Horst Frehe. Die Anhörung habe gezeigt, dass eine Obduktionspflicht die Eltern nicht be-, sondern entlaste." Staatsanwaltlich angeordnete Obduktionen hätten "gezeigt, dass die Eltern im Nachhinein froh waren, weil Verdachtsmomente ausgeräumt werden." Schließlich gebe es eine "nicht unerhebliche Zahl von Fällen", in denen tatsächlich Misshandlungen nachgewiesen würden.

Der CDU-Abgeordnete Wilhelm Hinners wies darauf hin, dass die Obduktionspflicht "sozial gerecht" sei: "Bei Arztkindern wird jetzt kaum eine Obduktion angeordnet, bei Kindern aus schwierigem Milieu schon." Die generelle Obduktionspflicht beende diese Ungleichbehandlung.

Die Linkspartei hatte das Abstimmungsverhalten in der ersten Lesung im vegangenen Juni zunächst frei gegeben. "Man kann das schon eine Gewissensentscheidung nennen," sagte gestern Fraktionschef Peter Erlanson. Doch die bei der Anhörung vorgetragenen Argumente hätten ihn überzeugt. Die Fraktionsspitze wolle den Abgeordneten nun die "Zustimmung empfehlen".

Mit ihrer Ablehnung stehen die Liberalen nicht alleine. Auch der Kinderschutzbund hält nach wie vor nichts von einer allgemeinen Obduktionspflicht. "Das ist ein tiefer Eingriff in die Rechte der Eltern und in unseren Augen nicht gerechtfertigt", sagt Landesgeschäftsführer Andreas Borchers. Er glaubt, dass präventive Maßnahmen zur Verhütung tödlicher Misshandlungen noch nicht ausreichend ausgebaut sind. "Bei den frühkindlichen Vorsorgeuntersuchungen könnten die Ärzte entscheiden, ob bei einer Familie genauer hingesehen werden muss." So genannte "Familienpaten" von freien Trägern könnten dann die Familien aufsuchen - dabei denkt Borchers auch an den Kinderschutzbund selbst.

Bremen wäre bundesweit das erste Land mit Obduktionspflicht. 2008 gab es hier fünf Fälle, in denen sie gegriffen hätte.

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