Suizid-Prävention: Angst um Einzigartigkeit

Hamburgs Therapiezentrum für Suizidgefährdete soll Teil der Psychiatrie werden. Bisher erreicht es aber genau die Betroffenen, die sich vor der Klinik fürchten.

Jugendliches Suizidopfer: Im Hamburger Präventions-Zentrum werden jährlich 250 Menschen Menschen behandelt. : dpa

Ein niedrigschwelliges Angebot ist in Gefahr, befürchtet der Freundeskreis des Hamburger Therapiezentrums für Suizidgefährdete (TZS). Wenn die Einrichtung wie geplant im kommenden Jahr den Psychiatrischen Kliniken des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) angegliedert wird, könnte sie aus Sicht des Freundeskreises in ihrer Existenz bedroht sein.

Das TZS arbeitet ambulant und leistet zudem Präventionsarbeit in der Öffentlichkeit. Die oppositionelle SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft hat beantragt, das Zentrum in der bisherigen Form zu erhalten. Darüber berät das Parlament am heutigen Donnerstag.

Aus Sicht des UKE stellt sich die angestrebte Zusammenlegung indes so dar: "Mit der räumlichen und inhaltlichen Integration des TZS in die Klinik und Poliklinik für Psychiatrie entfällt eine Doppelstruktur." Die Behandlung der Patienten solle dadurch eine Verbesserung erfahren - etwa durch längere Öffnungszeiten. Das Klinikum argumentiert mit Zahlen: 4.000 suizidale Patienten versorgt man nach eigenen Angaben, davon aber gerade mal 250 im TZS - "lediglich einen Bruchteil", heißt es aus dem UKE.

Das 1990 gegründete TZS ist Teil des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Es behandelt suizidale Patienten ambulant mit psychoanalytischer Orientierung.

Es berät Hinterbliebene und Angehörige, aber auch Experten.

In der Präventionsarbeit kooperiert es etwa mit der Deutschen Bahn.

Weitere Aufgaben sind Fort- und Weiterbildung sowie Lehre und Forschung.

Paul Götze, Gründer des Zentrums und Beiratsvorsitzender von dessen Förderkreis, bezweifelt dieses zentrale Argument: "Ich weiß nicht, wo sie diese Zahlen her haben". Nach wissenschaftlichen Studien empfinde zwar jeder dritte Psychiatrie-Patient eine gewisse Suizidgefährdung, die stehe in den meisten Fällen jedoch nicht im Vordergrund.

Das TZS dagegen spricht andere Zielgruppen an und behandelt anders. Es versteht sich als Angebot gerade an diejenigen, die Angst vor einer Psychiatrie haben - sei es wegen des Stigmas, wegen schlechter Erfahrungen oder schlicht wegen der Angst, weggesperrt zu werden.

Aus Götzes Sicht gibt es daher auch keine Doppelstruktur: Das TZS habe ein anderes Angebot als die Psychiatrischen Kliniken. Es biete eine psychoanalytisch-orientierte Therapie, die auf die Selbsttötungsabsicht ausgerichtet sei, fokussiere sich also auf die Suizidabsicht.

Und das in durchschnittlich 10 bis 30 Behandlungsstunden - ein Umfang, wie er im Klinikum gar nicht geboten werden könne, sagt der Facharzt, der selbst lange in der Psychiatrie gearbeitet hat. Synergien seien insofern nur in den falschen Bereichen denkbar: "Von der Ökonomie und Organisation her sind vielleicht Vorteile möglich, doch die Qualität der Therapie steht bei solchen Überlegungen nicht im Vordergrund." Dabei habe das Zentrum Erfolg, sagt Götze: Dort betreute Patienten "suizidieren sich äußerst selten".

Das UKE äußert sich zur geplanten Zusammenlegung nur schriftlich und verspricht "die Integration der TZS-Mitarbeiter in das neue, organisatorisch zusammengefasste Behandlungskonzept". Götze dagegen weiß von einer erfahrenen Mitarbeiterin, deren im Dezember endender Vertrag nicht verlängert worden sei.

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