Kommentar Ganztagsschulen: Bessere Bildung kostet
Damit bei Ganztagsschulen nicht nur das Türschild stimmt, müssen Bund und Länder noch mal deutlich in die Qualität des Unterrichts investieren.
D as Ganztagsschulprogramm hat einen Boom ausgelöst, der in der deutschen Bildungsgeschichte einmalig ist. Alle Bundesländer brüsten sich heute mit der Zahl ihrer Ganztagsschulen, obwohl die unionsregierten Länder das Programm zunächst am liebsten verhindert hätten. Doch auch wenn sie vielen Schulen ein neues Türschild spendierten - in den meisten Klassenzimmern findet vormittags immer noch Unterricht im Dreiviertelstundentakt statt und nachmittags gibt es ein paar isolierte Freizeitangebote. Das hat mit Ganztagsschule wenig zu tun.
Die Betreuung der Schüler, und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war stets nur ein zweitrangiges Ziel. Zuvorderst ging es der rot-grünen Bundesregierung und den beteiligten Bildungsexperten darum, die Schulen und den Unterricht zu verändern. Wer bis in den Nachmittag Zeit hat, der muss im Biologieunterricht nicht am Arbeitsblatt kleben bleiben. Die Lehrer können mit den Schüler auch in die Natur gehen und die Würmer, die gerade besprochen werden, ausgraben. Das dauert natürlich länger als eine Schulstunde. Doch so werden Lehrplaninhalte fassbar, Schüler fangen selbst an zu forschen. Und aus Schulen werden Bildungseinrichtungen.
So weit die Hoffnung. In der Praxis bräuchten die Schulen dazu mehr Personal und (materielle) Freiheit, doch das haben die Länder nur bedingt beigesteuert. Die meisten Ganztagsschulen sind offene Ganztagsschulen, also jene mit freiwilligen Angeboten. Die sind billiger, auch weil nur ein Teil der Schüler ganztags anwesend ist.
Anna Lehmann, 35, ist Bildungsredakteurin der taz.
Doch wenn Politiker von Bund und Ländern Ganztagspädagogik ernst nehmen, müssen sie mehr Geld in alle Schulen investieren, damit diese den Vormittag und den Nachmittag pädagogisch verbinden. Von den erweiterten Bildungsangeboten könnten gerade Kinder aus sogenannten bildungsfernen Familien profitieren. Wir brauchen keine Bildungschipkarte. Wir brauchen ein Ganztagsschulprogramm II.
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